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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
Autoren: Brockhaus
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Grundlage eines stabilen Gesellschaftssystems.
    Mitte der 1820er-Jahre versuchte Balzac sich als Geschäftsmann: zusammen mit dem Verleger Urbain Canel wollte er preiswerte Gesamtausgaben der Werke Molières und La Fontaines auf den Markt bringen. Sein chronischer Geldmangel veranlasste ihn, zusammen mit dem Schriftsetzer André Barbier auf Kredit eine Druckerei zu kaufen, um seine Werke selber herstellen zu können. Das Unternehmen endete als Fiasko, das Balzac hohe Schulden eintrug.
    Deshalb bezog er unter dem Namen seines Schwagers Surville in der Rue Cassini eine Wohnung mit der festen Absicht, ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden und den Erfolg finanziell umzumünzen. Tatsächlich war dies der Anfang seiner literarischen Karriere, die mit dem 1829 erschienenen Roman »Les Chouans« (deutsch unter anderem als »Die Königstreuen« erschienen) begann, das erste namentlich gezeichnete Werk. Sein stetig wachsender Erfolg verschaffte ihm Zugang zu den führenden Pariser Salons (zum Beispiel der Madame Récamier), in denen Kultur und gesellschaftliche Lebensformen des vorrevolutionären Frankreich im Zeichen der Restauration gepflegt wurden. In kürzester Frist entstanden die Studien »Physiologie der Ehe«, eine Fülle von Erzählungen und die ganze Sammlung der »Szenen aus dem Privatleben«, die später in die größte Abteilung der »Menschlichen Komödie«, die Sittenstudien, aufgenommen wurden.
    DER ERFOLGSAUTOR
    Es zeigte sich, dass Balzac trotz seiner Neigung zum mondänen Leben als Romancier wie als Journalist ungewöhnlich konzentriert und rasch zu arbeiten vermochte. Besonderen Anklang fand er 1832 mit seinen »Tolldreisten Geschichten«, derb-komischen, von Daseins- und Sinnenfreuden geprägten Erzählungen in Stil und Sprache seines großen literarischen Vorbildes aus der Touraine, François Rabelais, denen 1833 und 1837 weitere folgten. Der nunmehr unumstrittene Erfolgsautor richtete sich seine Pariser Wohnung nun luxuriös und repräsentativ ein, in der die Großen jener Jahre (der Komponist Gioacchino Rossini, die Schriftstellerin George Sand und andere) gern zu Gast waren. Er legte sich, von der »standesgemäßen« Unterhaltung von Pferd und Wagen über die gepflegte Kleidung bis hin zum Adelsprädikat, ein aufwendiges aristokratisches Ambiente zu.
    Im Frühjahr des Jahres 1835 lernte Balzac den Naturwissenschaftler Geoffroy Saint-Hilaire kennen. Die Grundidee der »Menschlichen Komödie« geht nach Balzacs eigenen Worten auf einen Vergleich des menschlichen Daseins mit dem Tierreich zurück. Dies ist eine Widerspiegelung seiner intensiven Auseinandersetzung mit Saint-Hilaire, dem Balzac 1843 seinen 1835 erschienenen Roman »Vater Goriot« widmete. Der in wenigen Tagen entstandene Roman um Goriot entwickelt die Tragödie des Vaters, der in einer vom Geld beherrschten Gesellschaft von seinen Töchtern Anastasie, die mit einem Grafen verheiratet ist, und Delphine, der Frau des reichen Bankiers Nucingen, auf die Funktion des Geldgebers reduziert wird und sein eigenes Leben dem äußeren Wohlergehen seiner Kinder opfert. Rastignac und Vautrin, zwei weitere herausragende Romanfiguren, verkörpern hingegen jene gesellschaftlichen Strategien, nach denen man in der Restaurationsgesellschaft Karriere machen konnte. Dieses Werk war das erste, dessen Figuren ausdrücklich für eine Wiederkehr in späteren Romanen vorgesehen waren (insgesamt sind es 513 Figuren, die zumindest einmal in anderen Bänden der »Menschlichen Komödie« erneut auftreten). Die Idee eines über bestimmte Personen zusammenhängenden Romanuniversums war geboren.
    »DAS CHAGRINLEDER« – DER GROSSE DURCHBRUCH
    1831 gelang Balzac mit »Das Chagrinleder« der große Durchbruch. Unter dem Einfluss E. T. A. Hoffmanns entstand die Geschichte des Studenten Raphaël de Valentin, der mit einer literarischen Veröffentlichung und zugleich mit einer Liebesbeziehung gescheitert ist. Ein besonderer Talisman, ein Stück gegerbter Eselshaut, erfüllt ihm alle Wünsche, schrumpft jedoch mit jedem Wunsch zusammen. Reich, aber früh zum Tod verdammt, erliegt der Student am Ende im Kampf gegen seine nie versiegenden Wünsche.
    In diesem Roman wird beispielhaft Balzacs Suche nach dem geheimen Sinn gesellschaftlicher Bewegungen und Prozesse deutlich, auch seine Nähe zu weltanschaulichen Richtungen, die sich – wie etwa der Okkultismus oder die esoterische Vereinigung der Illuminaten – mit den von der Wissenschaft noch unerforschten Seiten der Natur
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