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Worm

Worm

Titel: Worm
Autoren: Mark Bowden
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Millionen Menschen gehabt hat und zweifelsohne noch viele mehr haben wird. In ihrer anfänglichen Begeisterung könnten jedoch die Architekten des Internets sein anarchistisches Wesen überschätzt haben. Als das zivile Internet allmählich Gestalt annahm und zunächst vor allem universitäre Forschungszentren miteinander verband, beschränkte sich sein Nutzerkreis auf Leute, die Computer und Computersprachen beherrschten. Techno-Utopia! Jeder kann mitspielen! Informationen umsonst! Vollständige Transparenz! Niemand verfasste Regeln für das Internet; stattdessen stellten seine Nutzer und Gestalter sogenannte »Requests for Comment«, »Bitten um Kommentare«, ins Netz. Vorschläge, wie sich das reibungslose Funktionieren des Internets sicherstellen lässt, wurden so lange hin und her geschickt, bis sich ein Konsens herausbildete. Und dank der extremen Flexibilität der Software konnte alles, was angenommen wurde, auch sehr schnell umgesetzt werden. Niemand hatte (und hat) wirklich das Sagen. Diese anarchistische Natur, diese Offenheit und dieses Fehlen jeglicher zentralisierten Kontrolle waren und sind eine Stärke und zugleich eine Schwäche. Wenn am Ende niemand für das Internet verantwortlich ist, wie kann man es dann in Ordnung halten und verteidigen? Solange nicht jeder, der sich seiner bedient, gute Absichten hegt, ist es anfällig für Attacken und kann gleichermaßen dazu benutzt werden, Schaden anzurichten wie Gutes zu tun. Das Internet ist zwar längst zu einem Teil unseres täglichen Lebens geworden, aber dennoch haben die meisten Menschen nur eine verschwommene Vorstellung davon, was es eigentlich ist. Das Internet ist dem normalen Menschenverstand viel weniger zugänglich, als das bisherige innovative Alltagstechnologien waren. Nehmen wir den Rundfunk. Auch beim Radio wusste niemand so genau, wie es funktionierte. Aber immerhin konnte man sich unsichtbare Wellen elektromagnetischer Partikel vorstellen, die von weither über uns hinwegschwappten, entfernte Stimmen, die auf Wellen vom Rande der Erde herbeigetragen und für unsere Ohren verstärkt wurden. Wenn man in einem Tal lebte oder im Schatten eines großen Gebäudes, blockierten die Berge und Mauern die Ausbreitung der Wellen, und war man zu weit vom Ausgangspunkt des Signals entfernt, verebbten die Wellen, bevor sie einen erreichten. Man empfing nur statisches Rauschen, keinen Ton. So viel konnte jeder noch verstehen. Oder das Fernsehen. Nun, auch das kapierte keiner so richtig, außer dass es wie das Radio war, nur mit dem Unterschied, dass die Wellen, die unsichtbaren Wellen natürlich, komplexer waren und deshalb auch Bilder übertrugen. Und der Sortiermechanismus in dem Kasten, die Transistoren oder Vakuumröhren oder was auch immer, projizierte die Bilder auf die Innenseite der Röhre. Beim einen wie beim anderen brauchte man eine Antenne, die die Wellen auffing und ein bisschen mitschwang. Etwas ging da vor sich, von dem man sich eine  – wenn auch unzutreffende  – Vorstellung machen konnte. Das Internet dagegen ist einfach da. Es ist überall um uns, wie der geheimnisvolle Äther früherer Zeiten. Keine Antennen. Keine Wellen, zumindest nicht in einer Form, die leicht vorstellbar wäre. Und dann enthält es nicht nur Stimmen und Bilder, sondern  … die ganze Welt und alles, was darin ist: Bilder, Töne, Texte, Filme, Landkarten, Kunst, Propaganda, Musik, Nachrichten, Spiele, Post, ganze Nationalbibliotheken, Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Sex (in allen Spielarten, von verführerisch bis grässlich), dazu Nahaufnahmen von Mars und Jupiter, Fotos Ihrer lange schon vergessenen Großtante Margaret, die Speisekarte des Thai-Restaurants um die Ecke  – kurz, alles, wovon Sie schon gehört haben, und vieles, von dem Sie noch nicht einmal geträumt hatten. Und das alles wartet nur darauf, dass wir es aus dem scheinbaren Nichts um uns herum herausfischen.
    Hinter seiner Phalanx aus drei Monitoren in Menlo Park residiert Phil Porras an einem Schreibtisch an der eigentlichen Geburtsstätte dieses Wunderwerks, und er sieht das Internet nicht in irgendeinem vagen Sinne, sondern als ein sehr reales, verständliches und beunruhigend zerbrechliches Gebilde. Er hat einen Teil der digitalen Ranch unter seiner Aufsicht bewusst ohne jede Zäune und Sicherheitsvorkehrungen gelassen, ein verlockendes Ziel für jede Schadsoftware, die auf der Suche nach Opfern den Cyberspace durchstreift. Das ist seine Petrischale, sein sogenanntes Honeynet. In dem
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