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Worm

Worm

Titel: Worm
Autoren: Mark Bowden
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zum Schutz vor böswilliger Software (Malware) anbieten, der Angreifer bekannt war. In der Regel hatte man es mit alten Bekannten zu tun. Die Schadsoftware in der Zeile über dem Neuankömmling zum Beispiel war allen 33 relevanten AV -Anbietern bekannt, die darüber 35 von 36.
    In der Erkennungsspalte dieses Eintrags aber stand: 0 von 3 7 . Und genau daran blieb Porras’ Blick hängen, als er den Neuankömmling in seinem Protokoll bemerkte.
    Null.
    Draußen war es schon dunkel, aber wie üblich saß Phil noch an seinem Schreibtisch in dem kleinen Büro in der zweiten Etage auf dem Gelände von SRI International, ein emsiger Bienenstock mehrerer Hundert Laboratorien nicht weit von der Stanford University. Sie sind in eng beieinander stehenden, sehr schlichten dreistöckigen gelb- und kastanienbraunen Gebäuden untergebracht, die sich wie Legosteine um Parkplätze herum gruppieren. Es gibt kaum Grünflächen. SRI International ist ein Knotenpunkt geballter Geisteskraft, eines der weltweit am besten finanzierten Zentren für angewandte Wissenschaft und mit rund 1700 Mitarbeitern der zweitgrößte Arbeitgeber in Menlo Park. Das Zentrum wurde als Stanford Research Institute  – daher auch die Initialen  – gegründet, aber bereits vor über vierzig Jahren von der Universität ausgegründet. Es ist ein Ort, an dem Ideen Realität werden, die Geburtsstätte einer Vielzahl technologischer Innovationen, von der Computermaus über Ultraschall-Bildgebungsgeräte bis hin zu winzigen Roboterdrohnen. Phils Büro ist schlicht eingerichtet: eine weiße Ledercouch, eine Lampe und ein Tisch, der von den drei Computermonitoren beherrscht wird. An den Wänden hängen mit Berechnungen und Grafiken vollgeschriebene Weißwandtafeln und als Reminiszenz einer jugendlichen Leidenschaft für den Modellbau mehrere alte, gerahmte Fotografien von Kampfflugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Blick aus dem Fenster geht durch ein paar belaubte Äste auf ein identisches Gebäude jenseits eines umschlossenen Hofs. Ein Büro, wie man es in einem beliebigen Industriegebiet irgendwo in den Vereinigten Staaten finden könnte. Das Besondere an dem Blick, den man hat, wenn man an Phils Schreibtisch sitzt, hat nichts mit dem zu tun, was man sieht, wenn man durch das Fenster hinausschaut. Sondern mit dem, was über die Bildschirme flackert. Auf den auf seinem Schreibtisch thronenden Farbmonitoren sieht man das Cyberspace-Gegenstück zu, sagen wir, dem US -Bundesstaat Texas.
    Zu den am SRI mit entwickelten Innovationen gehört das Internet. Das Forschungszentrum ist ein Monument des globalen Phänomens. Hier stand einer der beiden Computer, die 1969  – über zwei Jahrzehnte, bevor Al Gore den Begriff des »Informations-Superhighways« populär machte  – per Datenfernübertragung miteinander verbunden wurden, der erste Faden eines Netzes, das heute weltweit Abermillionen Rechner miteinander verbindet. Damals, in der Schöpfungszeit des Internets, erhielt jeder Computer, der an das im Entstehen begriffene Netzwerk angeschlossen wurde, eine eigene 32-Bit-Identitätsnummer beziehungsweise IP -Adresse, dargestellt in vier aus Nullen und Einsen bestehenden Oktetten. Inzwischen hat die schiere Größe des Internets die Einführung eines neuen Systems mit 128-Bit-Adressen notwendig gemacht. Auch wenn das SRI die Zuständigkeit für die Zuweisung und Überwachung derartiger Dinge schon vor Jahren abgegeben hat, ist es immer noch Eigentümer eines sehr großen Stücks des Cyberspace. Phils Anteil daran ist ein vergleichsweise bescheidener, kaum zum Angeben taugender, aber trotzdem verdammt schwer zu bekommender »Slash 16«, ein Block des ursprünglichen digitalen Universums, der 65 536 IP -Adressen beinhaltet  – mit anderen Worten, die letzten beiden Oktette seiner Identitätsnummer sind variabel, was 2 16 mögliche individuelle Adressen für die mit dem Netzwerk verbundenen Geräte ergibt. Damit verfügt Phil über eine, wie er es nennt, »große Kontaktoberfläche« im Internet. Er ist wie ein Rancher, der auf seiner Veranda sitzt, die Stiefel auf dem Geländer, und den Blick über die weite, offene Prärie zu seinen Füßen schweifen lässt, über, wie es in einem Country-Song heißt, miles of lonesome, meilenweite Einsamkeit in jeder Himmelsrichtung. Ein guter Platz, um Eindringlinge auszumachen.
    Phils Spezialgebiet ist Computersicherheit, besser gesagt Internetsicherheit, weil es heutzutage kaum noch Rechner gibt, die nicht mit anderen
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