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Woodstock '69 - die Legende

Woodstock '69 - die Legende

Titel: Woodstock '69 - die Legende
Autoren: Frank Schaefer
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hinüber – und in dieser Fassung schlicht grandios. Das, was in Bobby Darins schmieriger Adaption, die prompt 1966 in die Top Ten rutscht, verlogen, geradezu obszön klingt, das bekommt hier auf einmal eine existenzielle Ernsthaftigkeit, die man nicht spielen kann. Hier verzehrt sich tatsächlich einer nach der Liebe, die sein kleines, nichtswürdiges, kummervolles Leben zu überhöhen in der Lage ist. Das ist hörbar der Verzweiflung abgerungen.
    If a tinker were my trade
    Would you still find me
,
    Carrying the pots I made
,
    Following behind me
.
    Am Ende von Hardins Set fängt es leicht zu nieseln an und regnet sich schließlich ein – zum Leidwesen des indischen Sitar-Großmeisters Ravi Shankar, der jetzt an der Reihe ist. Shankar und sein Tabla-Trommler Alla Rahka bekommen bei der hohen Luftfeuchtigkeit ihre Instrumente nicht in den Griff und müssen erst noch einmal nachstimmen, bevor sie beginnen können. Die kurzzeitige Liaison Shankars mit der westlichen Popmusik, initiiert durch George Harrison, der bei ihm Sitar-Unterricht nimmt, nachdem er bei dem Song »Norwegian Wood« ein wenig auf diesem Instrument dilettiert hat, und dadurch so etwas wie eine Raga-Mode auslöst, ist eigentlich ein Missverständnis. Als tiefreligiöser Temperenzler verabscheut Shankar die Hippie-Szene mit ihrem notorischen Rauschbedürfnis. Die Musik selbst sei es, die bei entsprechender Reinheit von Geist und Körper psychedelische resp. bewusstseinserweiternde Wirkungen zeitigen könne, da brauche es gar keine Drogen. Woodstock ist denn auch das letzte richtige Rock-Festival, bei dem er auftritt. Zudem steht er der Beliebtheit seines Instruments, das neben den Beatles unter anderem auch die Rolling Stones, Byrds, Yardbirds und Jefferson Airplane in ihren Songs einsetzen, um sie ein bisschen exotisch aufzuputzen, sehr ambivalent gegenüber. Zum einen schmeichelt es ihm und sichert die eigene Popularität, zum anderen stößt die damit einhergehende Trivialisierung, die metaphysische Entkleidung der Raga-Musik ihn ab. Wie auf dem noch im selben Jahr erschienenen und immer mal wieder aufgelegten Album »Ravi Shankar At The Woodstock Festival« nachzuhören, entspricht sein Gebaren auch nicht dem eines Popstars, sondern eher dem eines klassischen Konzertmusikers. Er beschreibt vor den drei Etüden, die er hier spielt und die überliefert sind – »Raga Phuriya-Dhanashri Gat In Sawarital«, »Tabla Solo in Jhaptal« und »Raga Manj Khamanj« –, zunächst in gebrochenem Englisch die komplexen Taktarten, die es zu meistern gilt, als ob auch nur einer unter den Hunderttausenden verstehen könnte, was es damit auf sich hat.
    Wie wenig ein im abendländischen Kulturkreis Sozialisierter mit dieser traditionellen indischen Musik anzufangen weiß, zeigt geradezu paradigmatisch sein Eröffnungsauftritt bei dem von ihm mitorganisierten Concert for Bangladesh im Madison Square Garden 1971, wo das Publikum bereits nach dem Stimmen der Sitar zu jubeln beginnt. Shankar gequält: »Thank you. If you appreciate the tuning so much, I hope you will enjoy the playing more.« Michael Lang schwärmt zwar später von den »intensiven Vibes« und dem regelrecht mit Händen greifbaren »spirituellen Moment« des Auftritts, 90 aber Wadleigh hat Ravi Shankar aus gutem Grund keinen Platz im Film eingeräumt. In Pennebakers Nachtrag, den »Woodstock Diaries«, sieht man immerhin die Schlusssequenz von »Raga Manj Khamanj«, und die ist gut gewählt, denn hier kann man mit westlichen Ohren vielleicht noch am ehesten die Virtuosität der beiden ermessen. Shankar und sein Sideman Rahka, »one of the greatest masters of this drums«, nämlich den beiden kleinen Tabla-Pauken, jagen hier völlig synchron die schnellsten und krummsten Taktwerte hindurch, und das entspannte innige Lächeln der zwei beweist, dass es ihnen nur Vergnügen bereitet – und nicht das kleinste bisschen Mühe.
    Am Ende ihres Sets werden Kerzen ausgegeben, und von der Bühne kommt die Aufforderung sie anzuzünden, um den Regen zu vertreiben. Nützt alles nichts. »Als Mitternacht näher rückte … entlud sich der Himmel mit Blitz und Donner«, wird später der »Rolling Stone« berichten. »Ein schwerer Regenguss ging nieder. Der Baldachin über der Bühne drohte unter der Last des gesammelten Regenwassers
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