Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Woodstock '69 - die Legende

Woodstock '69 - die Legende

Titel: Woodstock '69 - die Legende
Autoren: Frank Schaefer
Vom Netzwerk:
schreibt Abbie Hoffman in seinem Krawallratgeber »Revolution for the Hell of it«. Und nichts anderes hätten die Yippies vor. »Wir sind Straßentheater: total und engagiert. Wir versuchen Leute zu fesseln und benutzen – anders als andere ideologisch verbohrte Bewegungen – jede Waffe (Attrappe), die wir finden können. Der Zweck liegt nicht darin, Respekt, Bewunderung und Liebe aller zu ernten – sondern darin, die Leute zum Handeln, zum Teilnehmen zu bewegen, sei es im Positiven oder Negativen.« Und Hoffman weiß auch, wie das geht. »Mach’ ganz schnell. Wie im Slapstick-Film. Sorg’ dafür, dass alle Spaß haben. Die Leute lachen unheimlich gern – das gibt Putz. Es hat keinen Sinn, dafür oder dagegen zu sein. Aufruhr – umweltmäßig und psychologisch – ist heilig, also mach’ nicht lange mit Erklärungen rum.« 100
    Gewaltlosigkeit, die Maxime des Civil Rights Movement, wird hier längst als alter Hut abgelehnt. Joan Baez gehört noch zu diesen »ideologisch verbohrten Bewegungen«, die Hoffman milde belächelt. Die jungen Revoluzzer haben andere Koalitionspartner im Sinn, sie versuchen sich mit der schillernden Counterculture zu verbinden und an ihrer medialen Attraktivität zu partizipieren. Aber das gelingt ihnen nur zum Teil. »Die politischen Radikalen sind in Woodstock nicht auf ihre Kosten gekommen. Einige haben sich immerhin auch amüsiert, aber die Hardcore Frontler hatten nichts zu lachen«, hebt Paul Williams hervor. »Leute wie Abbie sahen ihre Felle davonschwimmen, und das machte ihnen Angst. Sie erwachten aus ihren persönlichen Machtphantasien … und es war ein schmerzhaftes Erwachen … Das Selbstbewusstsein der anwachsenden Schar einer Mann/Frau-Nation entwickelte sich rasant, ganz ohne Hilfe von Führern, Superstars, Regierungen, Verschwörungen oder Parteien. Ganz allein durch Freundschaften. Das genügte unseren Möchtegern-Anführern aber nicht.« 101
    Williams’ Beobachtungen korrespondieren mit dem kritischen Befund, den Hunter S. Thompson der jungen Generation ausstellt: »Es ist nicht mehr als zwei Jahre her, da nahmen die besten und klügsten unter ihnen leidenschaftlichen Anteil an der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität des Lebens in Amerika. Aber seither hat sich die Szene gewandelt, und politischer Aktivismus ist nicht mehr in Mode. Ziele sind nicht mehr ›Veränderung‹ oder ›Fortschritt‹ oder ›Revolution‹, sondern es geht nur noch darum, zu entkommen, zu entfliehen, an der äußersten Peripherie einer Welt zu leben, aus der etwas Brauchbares hätte werden können … Die blühende Hippieszene macht den politischen Aktivisten die größten Sorgen. Schließlich müssen sie mit ansehen, wie eine ganze Generation von Rebellen in ein Niemandsland der Drogen abdriftet und bereit ist, alles zu akzeptieren, solange es nur mit hinreichend ›Soma‹ daherkommt.« 102
    Thompsons Polemik verdeutlicht vor allem eins: Joan Baez steht in dieser verregneten Nacht auf ziemlich verlorenem Posten. Für die »Hardcore Frontler« ist sie schlicht ein Auslaufmodell. Und die psychedelische Subkultur, »deren Bewusstsein auf die neue transzendental-Rock’n’Roll-revolutionär-sexual-ästhetisch-planetare Ebene eingestimmt ist«, wie sie Allen Ginsberg in einem »Playboy«-Interview mehr schlecht als recht zu definieren versucht, 103 mag sich mit so etwas Profanem wie dem politischen Tagesgeschäft nicht mehr so recht abgeben, sie strebt – wenn sie überhaupt noch nach etwas strebt – eher nach Spiritualität, Ekstase, Transzendenz, der nächsten Sprosse auf der Evolutionsleiter.
    Baez’ Abstand vom Woodstock-Mainstream offenbart sich schon in ihrem Aufzug. »Der zartblaue Kasak mit dem gekonnt über der Schulter geknoteten Seidentuch und die kurzen Haare im eleganten Juli-Driscoll-Look – nach Vogue und Elle ›der Typ 1968‹ – verraten sie als melancholische PR-Dame der Friedensbewegung, die dem barocken Modeschnickschnack à la Janis Joplin nichts abgewinnen konnte und wollte«, schreibt Ute Andresen in ihrem mode- bzw. kostümgeschichtlichen Woodstock-Exkurs. »Passend zum missionarischen Liedgut der streng-nonnenhafte Aufzug. Squawklamotten und Kleinmädchenzöpfe hatte sie bereits hinter sich … Joan
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher