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Woodstock '69 - die Legende

Woodstock '69 - die Legende

Titel: Woodstock '69 - die Legende
Autoren: Frank Schaefer
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seien in Amerika gemacht worden. Hier ist der Osten zum Westen gekommen.« 76
    Mit demselben Helikopter, der den Guru hinter die Bühne bringt, kommen auch endlich Sweetwater an. Ihre Backline steht zwar schon, aber für einen Soundcheck sei keine Zeit gewesen, heißt es. Warum eigentlich nicht? Nichts Genaues weiß man nicht. Sweetwater gehören zu den Schemen im Woodstock-Legendarium. Diese komplexe, abwechslungsreiche und durch die kuriose Instrumentierung mit Querflöte, Cello, E-Bass, Keyboards, Schlagzeug, Congas gar nicht unoriginelle psychedelische Folk Band, die sich aus Schwarzen und Weißen zusammensetzt, wurde im Zuge der Mythologisierung schlicht unterschlagen. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Angeblich sei ihr Auftritt schwach gewesen, aber die paar überlieferten Fragmente davon lassen kein abschließendes Urteil zu. Offiziell erschienen ist nur das schwungvolle »What’s Wrong« (auf der Best-of-Kompilation »Cycles«); im Internet findet man überdies ein paar Schnipsel vom »Day Song« und »For Pete’s Sake«, die keinen Schluss über die Qualität zulassen, und eine angejazzte, mit diversen Solo-Einlagen gestreckte Jam-Version von »Motherless Child«, eben jenes Traditionals, das Richie Havens kurz zuvor ausgeschlachtet hat. 77 Ein bisschen enerviert die nervöse Querflöte von Albert Moore, die, noch dazu sehr in den Vordergrund gemischt, an jeden Song ihre arabesken Schleifchen bindet. Und noch etwas fällt auf: die Stimmfärbung Nancy Nevins ist der von Grace Slick von Jefferson Airplane beinahe zum Verwechseln ähnlich; sie gefällt sich zudem in komplett identischen, leicht schwebenden, lang gezogenen, wellenförmigen Phrasierungen. Vielleicht ist das ein Grund für ihre Streichung? Wollte man am Ende den Wirkungsgrad der bekannteren Band nicht durch eine ähnliche schmälern? Die Band erklärt auf ihrer offiziellen Webseite wenig überzeugend, ihre Absenz im Film und auf den Woodstock-Alben sei vor allem eine Folge des schweren Autounfalls der Sängerin Nancy Nevins im Dezember 1969 gewesen, der dann auch zu ihrem Ausstieg geführt hat. 78 Man fragt sich nur, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
    Mittlerweile beginnen auch langsam »die Massenmedien hektische Krisenberichte auszustrahlen«. Nicht ganz zu Unrecht. »Die transportablen Latrinen brachen zusammen und liefen über, das Wasser aus sechs Quellen und geparkten Wassertanks erwies sich für die langen Schlangen als zu knapp, und die billigen, überirdisch verlegten Wasserrohre wurden von der Masse Mensch zermalmt. An den Verkaufsständen waren die Lebensmittel ausverkauft, und das Verkehrschaos blockierte den Nachschub.« 79 In Radiodurchsagen warnt man Spätentschlossene davor, noch aufzubrechen, weil die Autobahnen dicht seien. Es gibt zu wenig Krankenwagen, und die wenigen erreichen nur umständlich und unter großem Zeitaufwand die umliegenden Krankenhäuser. Und bald gehen auch die Medikamente aus.
    Jetzt schlägt die Stunde der Yippies, die zunächst einen ziemlich schlechten Stand haben. »Sie bauten Movement City auf, aber es ist schwer für politische Aktivisten etwas zu bewegen, wenn allemal alles umsonst ist. Zumal sie Movement City mitten in den Schlamm setzten. Berge von Flugblättern. Alle Jungs sind ganz schön stark drauf, und Abbie Hoffman und Paul Krassner schauen verdutzt aus ihren Lederjacken. Die Flugblätter hinterlassen keine Wirkung, weil die einzige Botschaft«, die auf dem Festival zählt, »das blanke Überleben ist.« Wavy Gravy räumt aber ein, dass die »Revolution« sich nach einer Weile »den evolutionären Strömungen« angepasst hat. »Sie fingen an es zu verstehen und klinkten sich ein, vergaßen die Flugblätter und kümmerten sich um Verwundete. Abbie Hoffman organisierte die Arbeit des Erste Hilfe-Zeltes (Big Pink wurde es getauft) fast ganz allein. Er behielt den Überblick, wer nun Behandelter und Behandelnder war, und die ganze Operation wurde ein großer Erfolg.« 80 Nicht genug damit, zwingt er John Morris später, gegen Morgengrauen, Hubschrauber zur Verfügung zu stellen, um die in New York bereitgestellten Medikamente, Decken, Verbandsmaterial, Blutplasma, und Nahrungsmittel abzuholen: »Ich werde allen erzählen, dass wir hier Leute haben, die dringend eine Bluttransfusion brauchen, während ihr den
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