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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin
Autoren: Nichole Bernier
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mussten, und doch gut genug konstruiert, um die Kinder zu kleinen rebellischen Taten zu ermutigen und sie ihre Grenzen austesten zu lassen. Niemand lehnte je die Einladung zu einem Picknick bei den Martins ab, denn dies war eine der wenigen Gelegenheiten, wo Erwachsene und Kinder in friedlichen, nebeneinander bestehenden Welten redeten und spielten. Es schien sogar, als gäbe es dort weniger Moskitos als bei den Nachbarn. Es war ein vom Glück gesegneter Ort, und das hatte zu dem allgemeinen Eindruck beigetragen, dass Gott es gut meinte mit den Martins.
    Chris stand schweigsam am Grill, er hatte den anderen den Rücken zugewandt und kratzte mit einer Stahlbürste die Burgerreste ab. Kate sah ihm dabei zu und dachte daran, dass sie diesen Mann nach ein paar Stunden Smalltalk in die Arme schließen durfte. Dave saß im Liegestuhl, die Beine hochgelegt, ein Bier in der Hand, und rief den Verstecken spielenden Kindern Tipps zu. Wann immer ein Kind in seine Nähe kam – egal, ob es ein Martin oder ein Spenser war –, packte er es am Arm oder Bein. Falls seine Kitzelattacken etwas überschwenglich ausfielen, so waren sich die Kinder dessen entweder nicht bewusst oder es störte sie nicht. Kate saß still auf der Terrasse inmitten des Trubels. Das Gefühl, dass jemand fehlte, hing wie dichter Nebel über ihnen, und alles sah anders aus, fühlte sich anders an.
    Sie sah sich im Garten um. In dem kleinen Beet wucherte Unkraut, wo sonst die Tomaten wuchsen. Das Rosenspalier an der Hauswand schien ungerührt davon, dass die Gärtnerin fort war. Die schmiedeeiserne Bank, die hier und da bröckelte vom ersten Winter, in dem sie draußen geblieben war, und auf der sie gesessen hatten, als Elizabeth ihr erzählte, dass sie wieder schwanger war. Kate war plötzlich von einem Glücksgefühl überwältigt gewesen, als würde sie selbst ein Leben dazugewinnen. Mittlerweile dreizehn Monate alt, war Emily zwar kein Säugling mehr, aber auch noch nicht ganz Kleinkind. Kate hielt sie auf dem Schoß, der kleine stämmige Körper war warm und nah, das weiche Haar kitzelte ihre Wange.
    Es war faszinierend, zuzusehen, wie Kinder heranwuchsen, wie sich die äußeren Merkmale herausbildeten, indem die Natur sich im genetischen Baukasten bediente, den Eltern ihrem Nachwuchs zur Verfügung stellen. Das Mädchen hatte die vollen Lippen seines Vaters, genau wie die vierjährige Schwester Anna, doch die Augen waren ganz Elizabeths, ein bezauberndes Blau, zwischen Kornblume und Saphir. Alle drei Kinder hatten Daves dichtes dunkles Haar geerbt, und ihre Mutter hatte es ihnen nur widerwillig geschnitten, selbst bei Jonah. Bisher hatte Dave es in Ruhe gelassen, und der Junge mit den kragenlangen Locken glich eher einem empfindsamen Giovanni als einem WASP  – einem »weißen protestantischen Amerikaner angelsächsischer Herkunft« – aus Connecticut. Elizabeth konnte nie genug davon bekommen, ihre Gesichtszüge zu vergleichen, und man merkte an ihrer Faszination, wenn es um die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen ihren eigenen Kindern ging, dass sie ein Einzelkind war. Ihnen Geschwister zu schenken, war das Beste, das sie für sie tun konnte, hatte sie gesagt. Kate beugte sich über Emilys Kopf und atmete den Duft von Johnsons Babyshampoo ein, ein Hormoncocktail, der bei Frauen, deren Kinder noch nicht lange aus den Windeln waren, einen Pawlow’schen Reflex auslöste: noch eins .
    Emily streckte ihre pummeligen Finger nach dem Gebäck auf Kates Teller aus, ein Stück Obstkuchen und bunte Petit Fours. Kate hatte bei ihrer Lieblingsbäckerei in der Stadt angehalten, um Nachtisch zu kaufen, obwohl sie wusste, dass Dave sie damit aufziehen würde. Die Patissière, die kaum buk – eine unerschöpfliche Quelle für Witzeleien.
    »Also wirklich, Kate«, hatte er in seinem weichen Südstaatler-Akzent gesagt, während er zusah, wie sie den Karton auf der Arbeitsfläche abstellte. »Du bist die Einzige unter uns, deren professionelle Fähigkeiten tatsächlich etwas taugen, und du setzt sie am wenigsten ein.«
    »Du meinst, ich bin diejenige mit den Fähigkeiten, von denen du am meisten profitieren würdest«, entgegnete sie und stieß ihn mit dem Ellbogen an.
    Es stimmte, dass sie weniger ambitioniert kochte und buk, seitdem sie Kinder hatte. Es nahm viel Zeit in Anspruch, selbst mit den handwerklichen Fertigkeiten, die ihr seit der Kochschule in Fleisch und Blut übergegangen waren. ( Der perfekte Beruf , kommentierten ihre Eltern und ältere
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