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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin
Autoren: Nichole Bernier
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Arbeitsplatte verstreuten To-do-Listen, scheinbar wahllos notierte Aufgaben, die zu erledigen waren, und Einkaufszettel. In Schönschrift schlängelten sie sich über das Papier. Ein kleiner antiker Schlüssel war mit Klebeband an der Karte befestigt. Ich würde der Auflistung der besonderen Vermächtnisse im Testament gern noch etwas hinzufügen. Bitte ändern Sie sie so, dass Katherine Spenser die Truhe mit meinen Tagebüchern erhält. Erklären Sie bitte in der entsprechenden juristischen Terminologie, dass ich sie ihr hinterlasse, weil sie ein unvoreingenommener und feinfühliger Mensch ist und wissen wird, was mit ihnen gemacht werden soll, und bitten Sie sie, vorne anzufangen. Ich bringe bald noch einen Brief für sie vorbei, der beiliegen soll .

    Je näher sie Connecticut kamen, umso weniger Gerümpel fand sich am Straßenrand. Alte Reifen und zurückgelassene Elektrogeräte wichen Birken, Azaleen und kleinen Tieren, die überfahren worden waren. Bäume säumten den Mittelstreifen, als wären sie die Wachposten der Vororte. Die Sonne hatte nicht nachgelassen, und Kates Sonnenbrille richtete nicht viel gegen das grelle Licht aus. Es ließ die Kopfschmerzen erneut aufflackern, die sie schon seit gestern mal mehr, mal weniger verspürte. Zweitageskopfschmerzen. Gehirntumor, dachte sie. Augenkrebs. Aneurysma.
    Sie kurbelte das Fenster ein wenig herunter. Nicht heute. Eine warme Brise reinigte die verbrauchte Luft und verscheuchte den Geruch alter Erdnussbuttersandwiches.
    Jedes Mal wenn sie Elizabeths Nachricht las, fiel ihr etwas anderes auf, eine Bemerkung jedoch besonders. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass Elizabeth Tagebuch geführt hatte, obwohl sie das erstaunte, oder ihre Verwunderung darüber, was eine so unkomplizierte Person geschrieben haben mochte. Heute habe ich Jonah und Anna davon überzeugen können, Truthahn-Sandwiches mit zur Schule zu nehmen. Auch nicht die Erkenntnis, dass Elizabeth Angst vorm Fliegen gehabt hatte. Kate wusste auch davon, aber dass sie deshalb vor ihrer Reise ihr Testament ergänzte? Es war auch nicht der Widerspruch, dass sie zwar gewissenhaft genug gewesen war, eine Treuhänderin für ihre Tagebücher einzusetzen, jedoch nie den angekündigten Brief geschrieben hatte, der ihre Absichten verdeutlichen sollte. Was Kate am meisten auffiel, war die Wahl eines einzigen Wortes – feinfühlig . Nicht unbedingt ein Begriff, mit dem viele Menschen Kate beschreiben würden. Selbst Elizabeth gegenüber, die sie in ihrem Alltag als Mutter am häufigsten getroffen hatte, war sie nicht die Feinfühligkeit in Person gewesen. Doch Elizabeth hatte sie offenbar so gesehen. Jedes Mal wenn Kate daran dachte, fühlte sie sich, als hätte sie etwas verloren, von dem sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie es besaß, ein nicht freigerubbeltes Los, das man Jahre zu spät findet, ein Volltreffer.
    Kate erfuhr im letzten Juli von Elizabeths Reise an die Westküste. Auf dem Weg in den Sommerurlaub hatten die Spensers für eine Nacht einen Zwischenstopp in Connecticut eingelegt, und die beiden Frauen waren am Strand spazieren gegangen, wie immer, wenn Kate zu Besuch war. Elizabeth erwähnte das Geschenk, das sie von Dave zum Geburtstag bekommen hatte, einen Malerei-Workshop, der über ein langes Wochenende stattfand. Man konnte dort bei einem mexikanischen Maler lernen, der für seine abstrakten Landschaften bekannt war, hatte sie erzählt, ein Workshop-Guru, der Oaxaca so gut wie nie verließ. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, während sie wild gestikulierte und einen Strang getrockneten Seetangs zwischen den Fingern knetete wie einen Rosenkranz.
    Normalerweise konnte Elizabeth nichts aus der Ruhe bringen, und so war dieses Gezappel sehr merkwürdig gewesen. Elizabeth nannte die Reise ein um zwei Jahre verfrühtes Geschenk zu ihrem Vierzigsten, das sie sich von Dave gewünscht hatte. Sie hatte einen günstigen Flug von JFK nach Los Angeles für den 9. August gefunden; Joshua Tree lag dann noch etwa 120 Meilen östlich, und sie freute sich sogar auf die Fahrt ganz allein. Eine Auszeit, um ihren Akku wieder aufzuladen, hatte sie gesagt, und der Seetangstreifen war ihr zwischen den Händen zerrissen.
    Damals war Kate überrascht gewesen. Elizabeth reiste kaum und schien sich bislang auch nicht sonderlich dafür zu interessieren. Kate wusste, dass Elizabeth gemalt hatte, bevor sie und Dave heirateten, und dass sie noch hier und da zum Pinsel griff, doch es war nichts, das es Kate wert
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