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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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vollkommen regungslos und ließ die Puppe wieder vom Tisch fallen. Diesmal hörte es Nastja.
    »Ihr schmeißt euer Spielzeug also runter? Ich hab ja gesagt, dass ihr mit Spielsachen nichts anzufangen wisst.« Wütend schnappte
     sie sich die restlichen Puppenteile, und Wanja musste entsetzt mit ansehen, wie sie alles zurück auf das hohe Regal legte.
     Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch und begann, Formulare auszufüllen.
    Wanja starrte die Tischplatte an, die nun wieder genauso kahl war wie der übrige Raum. Er schaute auf und sah Andrej an, der
     seinem Blick auswich und wieder angefangen hatte zu schaukeln. Igor schlug seinen Kopf immer heftiger gegen die Gitterstäbe
     des Laufstalls. Zwischen den Schlägen konnte Wanja die kleine Waleria am Fenster wimmern hören.
    Sein Blick fiel auf den Heizkörper unter dem Fenster. Er musste lächeln bei dem Gedanken an die raue Oberfläche des Metalls
     und die tröstliche Wärme, die er spendete. Er sehnte |16| sich danach, von seinem Stuhl zu rutschen, hinüberzukrabbeln und den Heizkörper anzufassen, doch nur seine Lieblingsbetreuerin,
     die, die er Tante Walentina nannte, erlaubte ihm, sich frei im Raum zu bewegen. Nastja würde schimpfen und zetern, wenn sie
     ihn auf dem Boden herumkrabbeln sähe.
    Er dachte an jenen Morgen zurück, als die Tür aufgegangen und ein Mann mit einem großen Kasten in der Hand hereingekommen
     war. Er sagte, er sei hier, um den Heizkörper zu reparieren, aus dem es tropfte. Wanja war es gelungen, den Mann auf sich
     aufmerksam zu machen, indem er ihn gefragt hatte, wer er sei, und dann hatte er sich neben ihn setzen und ihm zusehen dürfen.
     Der Mann hatte ihm gesagt, er sei der Klempner, und hatte seinen Kasten geöffnet, in dem Werkzeug verschiedenster Größen und
     Formen zum Vorschein gekommen war.
    Noch nie zuvor hatte Wanja so viele faszinierende Gegenstände gesehen. Der Klempner bemerkte sein Interesse und reichte ihm
     einen Kreuzschlüssel. Er selbst nahm sich einen Schraubenschlüssel und begann, den Heizkörper aufzuschrauben. Wanja beobachtete
     jede seiner Bewegungen und fragte nach dem Namen eines jeden einzelnen Werkzeugs, wobei er die Wörter wiederholte, um sie
     sich besser merken zu können. Der Klempner lächelte ihn an, und als er mit dem Schraubenschlüssel fertig war, durfte Wanja
     ihn halten. Glücklicherweise hatte Walentina an diesem Tag Dienst und erlaubte Wanja, bei dem Mann sitzen zu bleiben.
    Wanja schloss die Augen und ließ die gesamte Szene Revue passieren. Jetzt war er der Klempner und Andrej sein Gehilfe, der
     den Schraubenschlüssel für ihn hielt. »Schnell, Andrej«, würde er sagen, »gib mir den Schraubenschlüssel. Wir haben ein Leck!«
     Andrej würde ihm das Werkzeug reichen, und er würde mit aller Kraft die Schraubenmutter anziehen. Das Wasser würde aufhören
     zu tropfen, Walentina würde alles saubermachen, und er würde sein Werkzeug in den glänzenden Metallkasten packen und losziehen,
     um den nächsten undichten Heizkörper zu reparieren. Wie herrlich wäre das!
    |17| In diesem Moment schob Nastja ihren Stuhl zurück und sprang auf. Wanja hatte so viel Zeit damit verbracht, ihre Bewegungen
     zu beobachten, dass er ganz genau wusste, was ihre plötzliche Zielstrebigkeit zu bedeuten hatte: Sie war auf dem Weg in die
     Pause. Sie ging zu ihrer Tasche, die an einem Haken an der Wand hing, und nahm eine Schachtel Zigaretten heraus. Dann suchte
     sie in ihrer Manteltasche nach einem Feuerzeug. Sie schaute nicht in den Spiegel – anders als Tanja, die Lippenstift auftrug,
     bevor sie den Raum verließ.
    Während er Nastja beobachtete, schlug sein Herz wie wild. Er hatte bemerkt, dass die Verbindungstür zum Nebenzimmer nur angelehnt
     war. Normalerweise war sie immer geschlossen. Was für ein Glücksfall – Nastja war soeben dabei, hinauszugehen, und hatte es
     nicht bemerkt. Die Aussicht auf ein bevorstehendes Abenteuer ließ Wanja schlagartig putzmunter werden. Wenn Nastja erst einmal
     draußen war, könnte er zu der Tür hinüberkrabbeln und einen Blick in den Nebenraum werfen, der von den Betreuerinnen Gruppe
     1 genannt wurde. Er wusste, dass dort andere Kinder waren. Vielleicht fand er dort ein Kind, mit dem er sich unterhalten konnte.
     Er sah Andrej an, der wieder ins Leere starrte. Oder eine nette Betreuerin, die er noch nicht kannte. Vielleicht würde sie
     etwas Liebes zu ihm sagen, an das er dann während des langen Mittagsschlafs denken konnte.
    Mit der
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