Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
Vom Netzwerk:
Betreuerin, die mit einem
     feuchten Lappen fast geräuschlos saubermachte, bewegte sich niemand. Sehnsüchtig auf eine Antwort wartend, beobachtete Wanja
     jede ihrer Bewegungen. Doch sie hielt ihm weiter den Rücken zugekehrt, während sie in Richtung der Fensterbank schlurfte,
     wo die winzig kleine Waleria bewegungslos in einer Babywippe lag. Waleria starrte mit großen Augen ins Leere, und in der ganzen
     Zeit, die Nastja um das Kind herumwischte, suchte sie keinerlei Kontakt zu ihm – keine Berührung, kein Wort, kein Blick –,
     als handle es sich um eines der Holzspielzeuge auf dem Regal. Als der Lappen kurz ihren Fuß berührte, zuckte das kleine Mädchen
     zusammen, und in ihrem Gesicht spiegelte sich Angst.
    Wanja hoffte, dass Nastja sich umdrehen würde, sobald sie die Fensterbank abgewischt hatte, und er ihren Blick auffangen könnte.
     Aber nein, sie ging weiter zu dem Laufstall, in dem der blinde Tolja nach Spielsachen tastete, die nicht da waren. Sie stieß
     ein »dz-dz« aus, als sie sah, dass das Geländer des Laufstalls von den Kindern angenagt worden war.
    Nun beugte sie sich herab, um das Tablett des Lauflernstühlchens abzuwischen, in dem Igor seine Tage zubrachte – ein sogenanntes
     Gehfrei, das mit Rollen versehen war, mit dem er aber nicht herumfahren konnte, da das Plastikgestell mit einem Fetzen Stoff
     an den Laufstall gebunden war. Igor warf sich in seinem Sitz zurück und begann, seinen Kopf gegen |14| die Gitterstäbe des Laufstalls hinter sich zu schlagen. Wanja wusste, dass der Junge versuchte, Nastjas Aufmerksamkeit zu
     erregen. Doch sie ignorierte ihn ebenso wie Wanja.
    Wanja traute sich nicht, Nastja noch einmal nach einem Spielzeug zu fragen. Am Anfang ihrer Schicht war sie immer schweigsam
     und mürrisch, doch nach ihrer Pause schrie sie die Kinder oft an oder tat Schlimmeres. Einmal hatte sie Igor von der Wickelkommode
     in den Laufstall geworfen. Danach hatte Wanja beobachten können, wie Igor eine große Beule auf der Stirn gewachsen war.
    Beunruhigt bemerkte Wanja den leeren Ausdruck im Gesicht seines Freundes Andrej, der ihm an ihrem kleinen Tischchen gegenübersaß.
     Noch beunruhigender war Andrejs Vorwärts- und Rückwärtsschaukeln, ähnlich dem der Kinder, die im Gehfrei saßen. Das konnte
     den ganzen Tag so weitergehen, doch Wanja brauchte jemanden, mit dem er sich unterhalten konnte. Er hatte seinem Freund zwar
     das Sprechen beigebracht, doch Andrej blieb immer noch die meiste Zeit stumm. Wanja sehnte sich nach Beschäftigung. Er konnte
     nicht mehr so lange warten, bis sich Nastja, die in der anderen Ecke des Zimmers Wäsche zusammenlegte, endlich umdrehen würde.
     »Können wir bitte unser Spielzeug haben, Nastja?«, bat er noch einmal in ihre Richtung.
    Wieder nur Schweigen. Wanja machte sich auf einen ihrer Ausbrüche gefasst. Mit angehaltenem Atem sah er zu, wie sie sich langsam
     umdrehte. Sie schlurfte ein paar Schritte in Richtung eines hohen Regals und holte eine ramponierte Matrjoschkapuppe herunter.
     Wanja wusste gar nicht wohin vor Aufregung, als sie mit der Figur auf ihn zukam.
    »Nimm das. Teil’s dir mit Andrej«, sagte sie und knallte das Holzspielzeug zwischen die beiden Jungen auf den Tisch. Andrej
     hörte auf zu schaukeln, sein Gesichtsausdruck blieb jedoch leer.
    Einige Teile der Puppe waren kaputt oder fehlten. Doch lieber ein kaputtes Spielzeug als gar keins. In Ruhe stellte Wanja
     sämtliche Puppen der Größe nach vor Andrej auf. Dann nahm |15| er sie auseinander und schachtelte sie wieder ineinander. Schließlich fing er noch einmal von vorn an, doch Andrej zeigte
     nach wie vor keine Reaktion.
    »Los, Andrej. Jetzt bist du dran«, drängte er den Freund flüsternd.
    Andrej starrte weiter vor sich hin. Doch Wanja gab nicht auf.
    »Ich rolle eine Puppe zu dir rüber, und du fängst sie auf.« Die Puppe kullerte über den Tisch, plumpste in Andrejs Schoß und
     fiel von dort auf den Linoleumboden. Andrej machte keinerlei Anstalten, sie festzuhalten.
    Ängstlich schaute Wanja zu Nastja hinüber, um zu sehen, ob sie mitbekommen hatte, dass die Puppe heruntergefallen war. Aber
     nein, sie war immer noch damit beschäftigt, Wäsche zusammenzulegen.
    »Du hast es noch nicht mal versucht, Andrej.«
    Er hielt seinem Freund die Puppe direkt vors Gesicht. Andrej drehte seinen Kopf ein klein wenig und starrte die Puppe aus
     leeren Augen an. »Schon besser, Andrej. Jetzt roll ich sie wieder zu dir rüber.«
    Abermals verharrte Andrej
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher