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Wolken über Ebou

Wolken über Ebou

Titel: Wolken über Ebou
Autoren: Robert Jordan
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Menschen liefen geschäftig umher, obwohl sie sich nicht so hastig fortbewegten wie vor dem nächsten Tagesmarsch. Weiß gekleidete Novizinnen eilten fast im Laufschritt umher, denn eine kluge Novizin führte ihre Aufgaben stets so schnell wie möglich aus. Behüter schienen es natürlich niemals eilig zu haben, aber auch die Diener, die den Aes Sedai das Frühstück brachten, schlenderten heute morgen beinahe - zumindest im Vergleich zu den Novizinnen. Das ganze Lager nutzte die Rast. Ein Klappern und Flüche, als ein Wagenheber abrutschte, verkündeten, daß die Wagenbauer Reparaturen durchführten, und ein fernes Hämmern ließ vermuten, daß Hufschmiede Pferde neu beschlugen. Ein Dutzend Kerzenmacher hatte ihre Gußformen bereits aufgereiht wie auch die Kessel, in denen die sorgfältig gehorteten Kerzenstummel geschmolzen wurden. Weitere große schwarze Kessel standen auf Feuern, um Wasser für Bäder und die Wäsche zu kochen, und Männer und Frauen häuften in der Nähe Kleidungsstücke auf. Egwene beachtete alle diese Aktivitäten kaum.
    Sie war zu der Überzeugung gelangt, daß Meri es nicht absichtlich tat - sie konnte für ihr Gesicht nichts. Dennoch war es genauso schlimm, als wäre Romanda ihre Dienerin gewesen. Der Gedanke daran ließ sie laut auflachen. Ein grauhaariger Koch hielt beim Stochern der Kohlen auf einem Eisenherd inne, um sie belustigt anzulächeln - wenigstens einen Moment.
    Dann erkannte er, daß er den Amyrlin-Sitz anlächelte, nicht nur einfach irgendeine vorbeigehende junge Frau, und das Grinsen verzerrte sich, während er sich hastig verbeugte, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte.
    Wenn sie Meri fortschickte, würde Romanda nur eine neue Spionin besorgen. Und Meri müßte sich erneut mühsam von Dorf zu Dorf durchschlagen. Egwene richtete ihr Gewand - sie war tatsächlich geflohen, bevor die Frau ganz fertig war - und betastete einen kleinen Leinenbeutel, dessen Bänder an ihrem Gürtel befestigt waren. Sie mußte ihn nicht an die Nase führen, um Rosenblätter und eine Kräutermischung mit kühlem Duft zu riechen. Sie seufzte. Meri hatte ein Gesicht wie ein Scharfrichter, war zweifellos eine Spionin für Romanda und versuchte, ihre Pflichten so gut wie möglich zu erfüllen. Warum waren diese Dinge niemals einfach?
    Während sie sich dem Zelt näherte, das sie als Arbeitsraum benutzte - viele nannten es das Studierzimmer der Amyrlin, als sei es ein Raum in der Burg -, wurde der Ärger um Meri von einer feierlichen Zufriedenheit ersetzt. Wann immer sie einen Tag rasteten, war Sheriam mit dicken Bündeln Bittschriften schon vor ihr da. Eine Wäscherin, die mit in den Saum ihres Gewandes eingenähtem Schmuck erwischt worden war, flehte um Gnade, oder ein Hufschmied bat um ein Arbeitszeugnis, das er erst verwenden könnte, wenn er fortgehen wollte, und wahrscheinlich nicht einmal dann. Eine Geschirrmacherin bat die Amyrlin, darum zu beten, daß sie eine Tochter gebar. Einer von Lord Brynes Soldaten ersuchte um den persönlichen Segen der Amyrlin für seine Heirat mit einer Näherin. Zudem gab es stets eine Menge Bittschriften von älteren Novizinnen, die darum baten, Tiana aufsuchen zu dürfen und zusätzliche Aufgaben zu bekommen. Jedermann hatte das Recht, die Amyrlin um etwas zu bitten, aber jene, die der Burg dienten, taten dies selten und Novizinnen der Burg niemals. Egwene vermutete, daß Sheriam sich bemühte, Bittsteller aufzutreiben, um sie beschäftigt zu halten und sie von Sheriams Angelegenheiten abzulenken, während sich die Behüterin der Chroniken um das kümmerte, was sie für wichtig hielt. Egwene dachte, daß sie Sheriam die Bittschriften heute morgen vielleicht zum Frühstück verspeisen lassen sollte.
    Als sie das Zelt betrat, war Sheriam jedoch nicht da. Egwene hätte vielleicht nicht überrascht sein sollen, wenn sie die letzte Nacht bedachte. Aber das Zelt war dennoch nicht leer.
    »Das Licht erleuchte Euch, Mutter«, sagte Theodrin und vollführte einen riefen Hofknicks, der die braunen Fransen ihrer Stola zum Schwingen brachte. Sie besaß die berühmte Domani-Anmut, obwohl ihr hochgeschlossenes Gewand wirklich recht bescheiden war. Aber Domani-Frauen waren nicht für Bescheidenheit bekannt. »Wir haben Eure Befehle befolgt, aber niemand hat gestern abend jemanden in der Nähe von Marigans Zelt gesehen.«
    »Einige der Männer erinnern sich, Halima gesehen zu haben«, fügte Faolain mürrisch an, während sie sich weitaus knapper verbeugte, »aber abgesehen
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