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Wolfslegende

Wolfslegende

Titel: Wolfslegende
Autoren: Vampira VA
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bewiesen, waren noch immer da, hatten sich noch nicht klammheimlich aus dem Staub gemacht. Beide, Anum und Lilith, waren auf Menschenblut angewiesen. Vielleicht hatten sie neue Opfer zu sich geholt, weil von den Chaims keiner mehr am Leben war, auch die Kinder nicht ...
    Beim Durchstöbern von Holskis Schränken war Nona auf einen funktionsfähigen Karabiner und mehrere Schachteln Munition ge-stoßen. Damit ausgerüstet, kehrte sie in das Zimmer zurück, von dem aus sie die beste Sicht auf den Laden hatte.
    Gegen Mittag kam Caleb vorbei. Er fragte nach seinem Onkel, der ihm sonst immer die Tür aufmachte.
    »Er ging noch mal weg«, sagte Nona.
    Caleb zog ihre Aussage nicht in Zweifel. Keine Sekunde.
    »Hast du schon den Felsendom besucht, dessen goldene Kuppel ihren Glanz über ganz Jerusalem wirft?« fragte er.
    Nona verneinte. Und wußte, wie die nächste Frage lauten würde.
    »Darf ich ihn dir zeigen? Es ist der Ort mit der ältesten Heiligkeit auf der ganzen Welt . Sollen wir uns gemeinsam in den Strom der Pilger einreihen - oder interessiert dich das Bauwerk nicht? Du wärst die Erste .«
    »Du redest wie ein Fremdenführer«, kanzelte Nona ihn barsch ab.
    Es war das erste Mal, daß er ihr eine Absage übelzunehmen schien. Er schluckte, und Nona setzte noch eins drauf: »Dann bin ich eben die Erste, die Eure verdammte Heiligkeit nicht wertschätzt, was soll's? Ich bin nicht hier, um irgendwelche Suren von irgendwelchen vergoldeten Wänden abzulesen. Oder mir den angeblichen Fußabdruck Mohammeds auf einem Felsbrocken anzuschauen! Ich -«
    Ihre geringschätzigen Kommentare ließen Caleb immer wieder zusammenzucken, bis er ihr ins Wort fiel: »Ich weiß, du willst die Chaims besuchen, Gershom Chaim. Aber ist das ein Grund, den Glauben deiner Gastgeber mit Füßen zu treten?«
    Er sah aus, als wollte er gleich in Tränen ausbrechen. Nona hatte seine Sensibilität richtig eingeschätzt. Er war etwas größer als sie und genauso schlank. Ein femininer Zug im Gesicht eines Mannes hatte sie noch nie fasziniert; bei Caleb war es anders. Caleb schien die Charakterzüge von Mann in Frau in einem beispiellosen Gleichklang in sich zu vereinen. Diese Balance war es, die Nona für ihn einnahm, obwohl sie nicht vorhatte, irgend etwas mit ihm anzufangen.
    Landru war erst wenige Tage tot! Ihr einziger Geliebter, der all ihre Geheimnisse gekannt hatte, war nicht mehr. Der Einzige, mit dem sie über alles hatte sprechen können .
    »Beruhige dich. Es tut mir leid. Besser, du gehst jetzt.«
    Caleb hatte sich schon halb umgedreht, als er sich ihr abrupt wieder zuwandte und in einem regelrechten Temperamentsausbruch schrie: »Nein! Ich werde nicht gehen! Nicht, bevor du mir gesagt hast, warum du wirklich hier bist! Die Story mit deinem Vater und seiner Bitte auf dem Sterbebett stinkt doch zum Himmel! Du verhältst dich nicht wie die pflichtschuldige Tochter, die den letzten Wunsch eines geliebten Menschen erfüllen will. Du besuchst diese Stadt nicht, du vergräbst dich darin!« Caleb schwieg kurz, aber nur um Luft zu holen. »Meinst du, ich hätte es nicht gemerkt? Meinst du, es macht mir Freude, meinen Onkel mit in so eine Geschichte zu ziehen?«
    »So eine Geschichte?« In Nonas Hirn schlossen sich Verknüpfungen, die ein Urteil fällten. Das Urteil über Caleb. »Was willst du damit sagen?«
    »Dein Hiersein mag mit den Chaims zu tun haben - aber ich bezweifele, daß deine Erklärung, warum du sie suchst, der Wahrheit entspricht! Ich beobachte dich täglich, wie du hinter dem Fenster stehst und den Laden beobachtest. Wie du es tust, wie du auf irgend etwas dort wartest, ist nicht normal!«
    Nona wich einen Schritt vor Caleb zurück.
    »Du hast recht«, sagte sie rauh.
    Er nickte fast ein wenig entsetzt, daß sie seine Vorwürfe bestätigte und nicht abstritt. Dann forderte sein Blick sie auf, endlich den wahren Grund ihres Hierseins aufzudecken.
    Nona entfernte sich noch zwei weitere Schritte von Caleb, beugte sich über das Bett und zog den durchgeladenen Karabiner unter dem Kopfkissen hervor.
    Der junge, unorthodoxe Jude war gerade dabei gewesen, seiner-seits auf Nona zuzugehen, als er abrupt wieder stehenblieb. Ein Gemisch aus Wut, Ohnmacht und Enttäuschung entstieg seiner Kehle. Abwehrend hob er die Hand. »Dreh jetzt nicht völlig durch .«
    Nona lächelte kalt. Ruhig umfaßte sie Kolben und Lauf des Gewehrs. Der Zeigefinger ihrer Rechten lag am Abzugshahn. Caleb starrte genau in die Mündung.
    »Ich drehe nicht durch,
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