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Wolfslegende

Wolfslegende

Titel: Wolfslegende
Autoren: Vampira VA
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daß sie keinen vertrottelten Alten vor sich hatte, sondern einen Verstand, der nicht zu unterschätzen war.
    Schulterzuckend sagte sie, das Alter der Kinder David und Rahel berücksichtigend: »Mitte vierzig?«
    Holski gab nicht zu erkennen, ob er mit dieser Antwort zufrieden war.
    »Mein Neffe hat einen Narren an Euch gefressen«, sagte er unzusammenhängend. Und schwieg dann wieder, als erwarte er eine Stellungnahme Nonas dazu.
    »Ich wußte nicht, daß er Ihr Neffe ist.«
    »Jetzt wißt ihr es. Also?«
    »Was also?«
    »Mögt Ihr ihn nicht?«
    »Doch . Er ist sehr sympathisch .«
    Holski klatschte so heftig in die knochigen Hände, daß es laut durch den Flur hallte. »Warum gebt Ihr ihm dann einen Korb nach dem anderen? Er kann damit schon einen Handel betreiben! Und das lasse ich nicht zu! Eine solche Behandlung hat mein Neffe nicht verdient!«
    Nona schürzte die Lippen. Der flackernde Blick des alten Kupplers brachte sie auf eine Idee.
    »Drüben«, sagte sie und deutete zum Fenster hinter sich, aus dem man zum Haus der Chaims schauen konnte, »sah ich vorhin Bewegung hinter den Vorhängen. Sind die Chaims zurückgekehrt?«
    Der Ausdruck auf Holskis Gesicht veränderte sich sekundenschnell. »Bewegung?« Es klang ungläubig, aber auch . alarmiert.
    »Ja. Ich bin sicher, jemanden gesehen zu haben, der den Vorhang kurz beiseite schob und dann wieder verschwand.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Unmöglich? Wieso?«
    »Weil ich es bemerkt hätte, wenn sie heimgekommen wären.«
    »Habt Ihr sie auch - weggehen sehen?«
    Holski zögerte.
    »Nein«, räumte er schließlich ein. »Aber Caleb erzählte es. Und Caleb lügt nicht - warum sollte er auch?«
    Nona hob beschwichtigend die Hände. »Ich wollte Ihren Neffen nicht der Lüge bezichtigen. Bestimmt nicht. - Vielleicht habe ich mich doch getäuscht.« Sie lächelte einfältig.
    Die Wirkung ließ nicht auf sich warten. »Schon gut. Warum seht Ihr nicht nach und läutet an der Tür? Dann wird sich zeigen, ob sie wieder da sind. Es wäre möglich. Möglich wäre es. Sie sind mit dem Bus gefahren. Sie haben kein Auto .«
    »Danke für den Rat. Ich werde nachher vorbeigehen.«
    Jeb Holski äugte mißtrauisch wie ein Rabe. »Ich kann mich nicht erinnern, daß in den letzten Jahren irgendwo in der Nähe eingebrochen wurde. Aber die Zeiten ändern sich. Die Zeiten sind nicht mehr das, was sie einmal waren ... Ich werde nachsehen. Am besten gehe ich gleich mal vorbei und sehe nach, ob das Schild noch hängt. Ich werde klingeln und fragen, wie es Rebecca geht. Ich werde ...«
    Seine Stimme verebbte allmählich wie tuckerndes Motorengeräusch, wenn sich ein klappriger, alter Wagen entfernte.
    Ebenso grußlos, wie er gekommen war, drehte sich Holski um und ging auf die Treppe zu.
    Nona schloß leise die Tür hinter ihm und ging zum Fenster.
    Sie brauchte nicht lange zu warten, bis der Jude über die Straße humpelte, sich die Nase am Geschäftseingang platt drückte und dann zur Wohnungstür wechselte. Oft und lange drückte er die Klingel, und als er nicht aufgab, sondern mit der Faust gegen das Türholz zu hämmern begann, glaubte Nona tatsächlich eine Bewegung hinter dem Vorhang im Erdgeschoß wahrzunehmen.
    Sie öffnete das Fenster einen Spalt weit und hörte Holski rufen: »Ist jemand zu Hause? Gershom? Bist du wieder da? Antworte, wenn du mich hörst! Los, ant-«
    Holski verstummte, als hätte ihm jemand die Stimmbänder durchgeschnitten. Die verstümmelte letzte Silbe ging in einen seltsamen Klagelaut über, der Nona eine Gänsehaut verursachte.
    Wie erstarrt stand Holski da, die Faust immer noch gereckt und Zentimeter vor der Tür in der Luft schwebend, als hätte er urplötzlich vergessen, was er damit tun wollte.
    Plötzlich näherte sich von der anderen Straßenseite eine weitere Gestalt. Eine bildhübsche Frau in Minikleid und Sonnenhut.
    Zuerst glaubte Nona, die Frau und Holski würden sich kennen. Doch als sie ihn erreichte, schenkte sie ihm keinerlei Beachtung. Die Tür, an der Holski stand, ging auf. Er trat ein, und die Frau folgte ihm auf dem Tritt.
    Dann schloß sich die Tür.
    Und öffnete sich den ganzen Tag nicht wieder.
    *
    Nona richtete sich darauf ein, künftig sämtliche Räume von Jeb Holskis Wohnung in Anspruch nehmen zu können. Daß der alte Mann je wieder zurückkehren würde, damit rechnete sie nicht. Daß sie dafür aber anderen Besuch aus dem Heim der Chaims erhalten könnte, schloß sie nicht aus.
    Die Mörder jedenfalls, das hatte der Vorfall
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