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Wolfslegende

Wolfslegende

Titel: Wolfslegende
Autoren: Vampira VA
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von der lampenerhellten Straße fiel etwas Licht herein.
    Sie hat es also wahr gemacht, dachte der Jude und zerrte an seinen Fesseln. Das Stoffknäuel in seinem Mund wurde von einem hinter dem Kopf verknoteten Band daran gehindert, ausgespuckt zu werden.
    »Gib dir keine Mühe. Die Stricke halten«, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit.
    Nona stand neben dem Fenster, nicht davor, deshalb brauchte es eine Weile, bis Caleb sie ausgemacht hatte. Davor hatte es den Anschein gehabt, als wäre sie mit der Dunkelheit verschmolzen gewesen - selbst zum Schatten geworden.
    Regungslos lag er auf dem Bett. Beim Versuch, die Fesseln abzuschütteln, hatten sie sich noch enger zusammengezogen und schnürten ihm fast das Blut ab.
    »Laß dich von mir nicht stören. Wenn dir danach ist, quäl dich ruhig selbst.«
    Im selben Tonfall hätte Nona über das Wetter oder eine andere Belanglosigkeit reden können. Caleb versetzte es einen Stich, und einen Moment lang wünschte er sich, genauso kaltschnäuzig, genauso hartgesotten zu sein.
    Aber der Wunsch wurde ihm nicht erfüllt.
    Die schlanke Gestalt, die er selbst in dieses Haus geführt hatte, schaute nicht zu ihm, sondern auf die Straße hinaus. In Richtung des Gemüseladens.
    Ob Onkel Jeb wirklich dorthin gegangen ist? Oder hat sie ihn ...?
    Der ins leere laufende Gedanke verursachte Caleb heftigere Bauchschmerzen, als ihm lieb war. Auch wenn er nie eine sehr harmonische Beziehung zu seinem antizionistischen Onkel gepflegt hatte, die Vorstellung, ihm könnte durch sein Mitverschulden etwas zugestoßen sein, legte sich ihm wie ein Gewicht auf die Brust.
    Ohne sich die Folgen vor Augen zu halten, zerrte er erneut an seinen Hand und Fußfesseln, die mit den Bettpfosten verknotet waren. Erst der Schmerz ließ ihn innehalten. Caleb stöhnte. Die Frau am Fenster fragte: »Wird man dich vermissen? Wird es auffallen, daß du nicht heimgekommen bist? Lebst du allein oder mit anderen zusammen? Mit deiner Familie, mit Freunden, einer Freundin ...?«
    Sie schien ihm zuzutrauen, daß er sich auch um sie bemüht hätte, wenn er bereits in einer festen Partnerschaft gelebt hätte. Wie wenig sie von ihm wußte.
    Und er von ihr.
    Er antwortete in den Knebel hinein.
    Nona bewegte sich nicht von ihrem Platz weg.
    »Es genügt«, sagte sie, »wenn du nickst oder den Kopf schüttelst.«
    Er zögerte, dann verneinte er ihre Frage, was er aber augenblicklich bereute. Vielleicht hätte sie ihr Handeln neu überdacht, wenn sie sich etwas mehr Sorgen über die drohenden Konsequenzen hätte machen müssen .
    Sie sagte: »Das ist gut. Gut für dich. Vielleicht kann ich dir dein Leben tatsächlich lassen.«
    Der Gleichmut ihrer Stimme in Verbindung mit dem, was sie sagte, erhöhte Calebs Pulsschlag.
    Durch die Nase atmete er tief ein und aus. Obwohl es nicht kalt war, fror er. Es war ein ähnlich übertriebenes Kälteempfinden wie an dem Morgen, der ihm immer noch in Erinnerung war; vor Jahren, als er mit Freunden eine Nacht durchgezecht und sich tags darauf absolut miserabel, zum Sterben elend gefühlt hatte.
    Er versuchte an etwas anderes zu denken, aber Nonas Stimme unterbrach ihn dabei.
    »Wenn er mich verraten hat«, flüsterte sie, »werden sie wahrscheinlich herüberkommen, um sich zu vergewissern, wer bei Jeb Holski eingezogen ist. Lilith kennt mich. Falls Holski mich ausreichend beschrieben hat, wird sie ganz bestimmt kommen. Was auf dem Bett liegt, wird sie ablenken. Solange, bis sich die Kugel in ihren Schädel gebohrt hat. Ich muß sorgfältig zielen. Wenn ich nicht beim ersten Mal genau treffe, habe ich verloren. Und wenn sie zu zweit kommen - auch .«
    Daß sie immer noch den Karabiner in ihren Händen hielt, fiel Ca-leb erst nach diesem Monolog auf.
    Von wem redete sie überhaupt? Wessen Erscheinen fürchtete sie? Er erhielt keine Antworten auf die Fragen, die unaufhörlich in seinem Kopf kreisten, bis ...
    ... er trotz der mißlichen Lage in einen tiefen Schlaf fiel.
    * 
    Esben Storm kam zurück.
    Die Wirklichkeit, die Wyando wahrzunehmen imstande war, schien beim »Wiedereintritt« des Aboriginal regelrecht aufzuseufzen. Ein seltsamer Klang wehte durch das Tal. Als wäre das, das Esben Storms Platz vorübergehend eingenommen hatte, nun wieder von ihm verdrängt worden.
    »Du warst länger weg, als ich es mir vorstellte. Über eine Stunde.«
    »Dort, wo ich wandere, unterliegt die Zeit anderen Gesetzen.«
    Wyando überlegte kurz, was der australische Ureinwohner damit zum Ausdruck bringen wollte
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