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Wolfsinstinkt

Wolfsinstinkt

Titel: Wolfsinstinkt
Autoren: L Seidel
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Bewegung setzte, und ließ sich ohne Probleme zurück in seinen Zwinger bringen. Ricky streichelte den Hund, dann ging er zurück zu der Stelle, an der er den Rucksack mit den Einkäufen abgestellt hatte, schulterte ihn und machte sich auf den Weg.
     
    Der Rückweg zu seiner Hütte dauerte länger als der ins Dorf, nichts anderes hatte Ricky erwartet. Mit einem gefüllten Rucksack marschierte es sich eben nicht so schnell. Obendrein bergauf.
    Umso glücklicher war er, als er endlich die Haustür hinter sich schließen konnte. Leise stellte er den Rucksack ab. Sein neuer Mitbewohner lag noch genauso da, wie Ricky ihn verlassen hatte, und atmete ruhig und gleichmäßig. Nachdem Ricky seine Klamotten losgeworden war, trug er den Einkauf in die Küche. Nach einer kurzen Schrecksekunde stellte er erleichtert fest, dass die Maklerin sogar daran gedacht hatte, den Kühlschrank einzuschalten. Gerade im Winter war das hier eigentlich lachhaft, wenn man allerdings wie er so weit ab vom Dorf lebte, war es nicht schlau, seine Lebensmittel im Schnee zurückzulassen. Man wusste nie, welche Tiere davon angelockt wurden.
    Er verstaute sein eigenes Essen im Kühlschrank und stellte die Dosen mit Hundefutter daneben auf die Anrichte. Blieb nur zu hoffen, dass sein Schützling diese Sorten tatsächlich mochte. Sonst würde er recht bald noch einmal ins Dorf müssen, und bei diesem Fußmarsch riss er sich nicht sonderlich darum.
    Er füllte eine Schüssel mit Wasser, nahm eine weitere leere zur Hand und trug sie zusammen mit einer Gabel und der Dose Hundefutter zurück ins Wohnzimmer. Leise setzte er sich zu dem Hund auf den Boden und stellte alles ab. Wenn er wach würde, konnte Ricky ihm gleich etwas zu fressen geben. Und bis dahin, das hatte er schon auf dem Heimweg beschlossen, würde er zeichnen. Er griff zu dem Block und dem Stift, die seit dem letzten Abend hier lagen, und musterte den Hund. Ein schöneres Motiv konnte er sich in diesem Moment nicht vorstellen.
     
    *
     
    Die Zeit verging wie im Flug. Nach dem ersten Tag, an dem Ricky festgestellt hatte, dass sein Hausgast kein Hundefutter mochte, sondern auf rohes Fleisch bestand, hatte er angefangen, im Dorf Steaks zu kaufen, um den Hund zu ernähren. Freilich war nicht nur das merkwürdig an dem Hund, ebenso dass seine Verletzungen in einer Geschwindigkeit heilten, die Ricky schlichtweg verblüffte. So kam es, dass der Hund aufstand, sobald er konnte, und in der Wohnung herumhumpelte. Eine weitere Woche später schien es, als wäre er nie verletzt gewesen, was Ricky einerseits freute. Andererseits machte es ihn traurig, da er ahnte, dass das Tier nicht mehr lange bei ihm bleiben würde. Dafür zog es den Hund viel zu sehr nach draußen, obwohl er bei Einbruch der Nacht immer zu ihm zurückkam und vor dem Kamin schlief.
    Rickys Arbeit lief in dieser Zeit besser, als er je erwartet hätte. Von den Zeichnungen des Hundes ging er zu den ersten kleinen Comicstrips über, und ehe er es sich versah, hatte er seinen alten Rhythmus wiedergefunden und die Outlines für ein ganzes Heft gezeichnet.
    Er legte den Stift zur Seite und blickte aus dem Atelierfenster. Die Dämmerung zog langsam auf, und Ricky stieg in das untere Stockwerk hinunter, um das Holz nachzulegen und herauszufinden, wo sein Hund blieb. Doc h wartete er an diesem Abend umsonst auf das wuschelige Tier.
    Eigentlich war Ricky hier herausgekommen, um alleine zu sein. Er hatte dieses Haus gekauft, weil er sich sicher gewesen war, dass hier draußen mindestens ein Jahr lang sein Platz sein würde und weil er es sich problemlos hatte leisten können. Doch jetzt, wo er sich so an die Gesellschaft des Hundes gewöhnt hatte, überkam ihn die Einsamkeit wie eine Lawine aus den Bergen. Er blieb noch eine Weile auf der Veranda stehen und hielt nach seinem vierbeinigen Freund Ausschau. Erst als er seine Füße kaum mehr spüren konnte, ging er zurück ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Er betrachtete die Comicseiten, auf denen er den namenlosen Hund verewigt und ihm eine Geschichte gewidmet hatte, allerdings war ihm gerade nicht danach, weiter daran zu arbeiten. Stattdessen brühte er sich einen starken Tee auf und stellte sich ans Fenster, um der Nacht zusehen zu können, wie sie ihren Mantel über die weiße Landschaft warf.
    Als der Wald in der Ferne nicht mehr zu erkennen war und das fahle Mondlicht den Schnee wie ein silbernes Meer glitzern ließ, erkannte Ricky eine Bewegung. Etwas kam auf sein Haus zu, und es kam
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