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Wolfsinstinkt

Wolfsinstinkt

Titel: Wolfsinstinkt
Autoren: L Seidel
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näher und schob seine Schnauze gegen Talas Gesicht.
    „Du hast es noch einmal geschafft, Ricky. Herzlichen Glückwunsch“, sagte Hon, der gerade Talas Schulter verband.
    Tala öffnete die Augen und sah Ricky direkt an. Vorsichtig hob er den schon verarzteten Arm und fuhr Ricky durch den dichten schwarzen Wolfskragen.
    „Du bist wirklich der schönste Wolf“, flüsterte er.
    Ricky spürte kaum, wie seine Wolfsgestalt von ihm abfiel. Erst als er leicht ins Wanken geriet und erneut Tränen in seinen Augen brannten, wurde ihm klar, was geschehen war.
    „Tala ...“ Er traute seiner Stimme nicht.
    „Du warst großartig.“
    Ricky legte die Finger an Talas Lippen. Das Reden strengte ihn viel zu sehr an.
    „Schhh ... Ruh dich aus. Du musst gesund werden, hörst du?“, flehte Ricky leise.
    „Keine Sorge“, sagte Hon. „Es hat ihn zwar ziemlich übel erwischt, aber wir bekommen ihn schon wieder zusammengeflickt.“
    Ricky blieb einfach neben Tala sitzen und hielt seine Hand weiter fest, während er zusah, wie Hon sich um Tala kümmerte, die Verbände regelmäßig wechselte und ihm zwischendurch eine dunkle Flüssigkeit einflößte, deren strenger Geruch Ricky die Nase rümpfen ließ. Tala trank und fiel in einen heilenden Schlaf.
    Auch Ricky nickte mittendrin ein, wurde allerdings schlagartig wach, als er umkippte und auf den harten Boden fiel.
    Hon schüttelte schmunzelnd den Kopf.
    „Warum legst du dich nicht einfach hin, Ricky?“, fragte er mit gutmütigem Spott. Ricky runzelte die Stirn.
    „Ich will bei Tala bleiben“, entgegnete er müde, was Ho n zum Lachen reizte.
    „Habe ich gesagt, dass du gehen sollst? Leg dich neben ihn, es wird ihm gut tun zu spüren, dass du hier bist.“
    Dieses Angebot würde Ricky sicher nicht ausschlagen. Er kuschelte sich auf dem obligatorischen dicken Fell an Talas weniger verletzte Seite und schloss die Augen. Ricky spürte sofort, wie die Müdigkeit von ihm Besitz ergriff und ihn in eine tiefe Schwärze zog. Noch bevor er einschlief, wurde er sich bewusst, dass er keine Angst mehr vor Albträumen hatte. Jahrelang hatte sie an ihm genagt, die Angst davor, alles erneut erleben zu müssen, doch seit er Tala bei sich hatte, schien sich mehr geändert zu haben, als er auf den ersten Blick gesehen hatte. Dave und die anderen Dämonen waren Vergangenheit – endgültig. Sein Schlaf gehörte wieder ihm allein.
     
    Während Tala fast zwei Tage lang durchschlief, wich Ricky ihm nicht ein einziges Mal von der Seite. Stumm beobachtete er, wie Hon sich um die Verletzungen kümmerte, und half ihm dabei, so gut er konnte. Er aß und trank eher wenig, doch je mehr die Farbe in Talas Gesicht zurückkehrte, desto besser fühlte auch er sich.
    Abgesehen von Hon kam niemand zu ihnen. Der Bärenmann hatte offenbar dafür gesorgt, dass sie ihre Ruhe hatten. In Ricky stauten sich die Fragen, aber er stellte keine Einzige davon. Er wollte warten, bis Tala wieder wach war. Vielleicht würde Tala ihm ja ebenfalls ein paar Antworten geben können. Hon jedenfalls schien zu begreifen, was in ihm vorging. Das Einzige, wozu er Ricky regelmäßig zwang, war die Nahrungsaufnahme.
    Am dritten Tag dann endlich wachte Tala auf. Ricky hatte gerade den letzten Verband gewechselt, als sein Freund ihn anblinzelte.
    „Ricky?“
    Lächelnd strich Ricky ihm das Haar aus dem Gesicht und nickte. „Ich bin hier. Geht’s dir gut?“
    Die braunen Augen erfassten ihn und nun lächelte Tala ebenfalls. „Jetzt schon, ja.“
    Erleichtert gab Ricky ein Geräusch von sich, das eine Mischung aus Lachen und Schluchzen war.
    „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!“, wisperte er ergriffen, beugte sich über Tala und küsste ihn sacht auf die Stirn. „Nashoba hat dich ziemlich böse erwischt.“
    „Ich weiß“, erwiderte Tala und sah Ricky dankbar an. „Wenn du nicht gewesen wärst, hätte er mich umgebracht.“
    Er hob schwach die Hand an und strich über Rickys Wange. „Aber du bist als Wolf wirklich eine imposante Gestalt. Wunderschön und kraftvoll.“
    Ricky glaubte, etwas wie Stolz darüber in Talas Augen zu erkennen, auch wenn er sich erst nicht erklären konnte, weshalb er stolz sein könnte. Bis ihm schließlich aufging, dass es wahrscheinlich seinetwegen war. Nun waren sie wahrhaftig Partner, gleichberechtigt und miteinander verbunden, eine Einheit.
    Ricky erinnerte sich nicht, wann er das letzte Mal so glücklich gewesen war oder sich so vollkommen gefü hlt hatte wie gera de eben. In seinem Herzen
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