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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wären sie vermutlich schon vor Tagen im Schlaf erfroren. Das Wort Zentralheizung stand vermutlich nicht einmal in den Wörterbüchern dieses Landes; dafür aber eine ganze Anzahl neuer Definitionen des Begriffs
Winter
.
    Er ging zu der großen Truhe am Fenster, in der sie ihre Habseligkeiten verstaut hatten, klappte den Deckel auf und nahm die Tasche mit seiner Fotoausrüstung und Rebeccas Tonbandgerät heraus. Als er den Apparat öffnete, um die Batterien prophylaktisch gegen einen Satz frischer auszutauschen, sagte Wissler:
    »Sparen Sie sich die Mühe.«
    Stefan ließ das Tonbandgerät sinken und starrte Wissler an. »Wie?«
    »Das Tonbandgerät. Sie können es nicht mitnehmen. Und die Kamera auch nicht.« »Was soll das heißen?« fragte Stefan.
    »Das soll heißen: keine Fotos«, antwortete Wissler. »Und keine Tonbandaufnahmen. Das waren die Bedingungen.«
    »Wessen Bedingungen?« fragte Stefan fassungslos. Er weigerte sich beinahe zu glauben, was er hörte.
    »Barkows«, antwortete Wissler. »Sie können mit ihm reden - aber ohne das ganze Zeug da.«
    »Sind Sie übergeschnappt?« keuchte Stefan. »Falls Sie es vergessen haben: Wir sind hier, um eine Reportage zu drehen. Ich bin Fotograf, und meine Frau ist Journalistin.«
    »Es tut mir leid«, sagte Wissler - auf eine Weise, die die Behauptung zu einem schlechten Witz werden ließ. »Aber genau das waren Barkows Bedingungen. Sie können ihr Interview haben. Aber keine Fotos, und kein 0-Ton. Wenn Sie das nicht akzeptieren, können wir gleich wieder zurückfahren.«
    »Sie wissen nicht, was Sie da reden!« empörte sich Stefan. »Das können wir sowieso, wenn wir ohne Material zurückkommen. Ein Interview mit Major Barkow? Phantastisch! Aber wir können es uns genausogut auch aus den Fingern saugen, wenn wir ohne irgendeinen Beweis dastehen! Kein Mensch wird uns glauben!«
    »Das ist Ihr Problem«, sagte Wissler gelassen. Er hob die Schultern. »Ich habe die Bedingungen nicht gemacht. Ich teile sie Ihnen nur mit.«
    »Ein bißchen spät, nicht?« Becci seufzte, schüttelte niedergeschlagen den Kopf und zog die Decke fester um die Schultern, ehe sie aufstand. Wissler zuckte erneut mit den Schultern und schwieg.
    »Ich denke ja nicht daran!« fuhr Stefan auf. »Wir sind nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um -«
    »Laß gut sein.« Rebecca legte ihm besänftigend die Hand auf den Unterarm. »Immerhin können wir mit ihm reden. Besser als gar nichts.«
    Stefan starrte sie vollkommen fassungslos an. Für ein paar Sekunden war er hin und her gerissen zwischen Wut, Fassungslosigkeit und... noch etwas, das er nicht richtig benennen konnte, vielleicht aber schlimmer als beides zusammen war. Aber dann fiel ihm das verhaltene Funkeln in Beccis Augen auf, ein nur angedeuteter warnender Blick, den Wissler nicht einmal dann registriert hätte, hätte er ihr in diesem Moment direkt in die Augen gesehen. Für ihn war diese Botschaft so deutlich, als hätte sie sie laut ausgesprochen.
    »Gut, daß wenigstens einer von Ihnen vernünftig ist«, sagte Wissler. »Wenn es etwas nützt: Ich bin gerne bereit, alles zu unterschreiben, was ich höre oder sehe... gegen ein kleines Honorar, versteht sich.«
    »Versteht sich«, sagte Stefan im feindseligsten Tonfall, den er nur aufbringen konnte.
    Wissler zuckte mit den Schultern. »Man muß sehen, wo man bleibt. Sie haben es selbst gesagt: So gut bezahlen Sie mich nun auch wieder nicht.«
    Stefan spießte ihn mit Blicken regelrecht auf, aber er hatte keine Lust, das Geplänkel fortzusetzen. Mit wütenden, viel zu kraftvollen Bewegungen warf er seine Fototasche und den Recorder wieder in die Truhe zurück und knallte den Deckel zu. »Darüber reden wir noch«, murmelte er. Wissler verzichtete auch diesmal auf eine Antwort.
    Er schlüpfte in die Stiefel, zog die Handschuhe aus der Jackentasche und streifte sie halb über, zog sie aber dann doch noch nicht an, sondern ging zu Rebecca zurück, um ihr zu helfen. Ihre Bewegungen waren präzise und zielgerichtet, aber auch langsam genug, um Stefan erkennen zu lassen, wieviel Mühe sie ihr abverlangten.
    »Bist du okay?« fragte er. »Vielleicht wäre es besser, wenn du-«
    »Hierbleiben würdest?« fiel ihm Rebecca ins Wort. Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nur über meine Leiche.«
    Stefan blieb ernst. »Das könnte schneller wahr werden, als du glaubst«, sagte er. »Du bist krank. Und wir haben einen ziemlich anstrengenden Weg vor uns.«
    »Ein bißchen Fieber«, antwortete Rebecca
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