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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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marokkanischer Marktschreier um die Riesensumme von fünfzig Mark. Und er hat mir ziemlich deutlich klargemacht, wer hier das Sagen hat. Vollidiot.«
    Rebecca sah ihn schräg an. »Er wird wissen, was er tut.«
    »Ja«, maulte Stefan. »Genau dasselbe hat er auch gesagt. Ich hoffe nur, daß er recht hat. Wenn nicht...«
    »Wenn nicht?« fragte Rebecca, als er nicht weitersprach. Sie klang ein bißchen alarmiert.
    Stefan zuckte mit den Schultern und gewann noch einmal zwei oder drei Sekunden damit, daß er an seiner Kaffeetasse nippte. Becci hatte recht: Der Kaffee
war
grauenhaft. »Dann haben wir ein Problem«, sagte er.
    »Was für ein Problem?«
    »Zum Beispiel das, daß diese ganze Aktion dann möglicherweise unter dem Stichwort ›Fehlschlag‹ abgelegt werden könnte«, antwortete Stefan.
    »Ah ja«, murmelte Rebecca. »Ich vergaß: mein Mann, der Pessimist.«
    »Dein Mann, der Realist«, korrigierte er sie. Er würgte tapfer den Rest seines Kaffees hinunter und stand auf, um die Tasse wieder auf den Tisch zu stellen. Er hätte sich ebensogut vorbeugen und das im Sitzen erledigen können, aber er hatte plötzlich das Gefühl, sich einfach bewegen zu müssen. Das Problem, das er eigentlich meinte, war ein ganz anderes. »Wir sind jetzt seit beinahe zwei Wochen hier, und im Grunde sind wir keinen Schritt weitergekommen. Wissler ist ein Idiot, der nichts tut, als sich aufzuspielen, und uns geht allmählich das Geld aus. Das Material, das wir bisher gesammelt haben, reicht nicht einmal für eine Postkartenreihe über das romantische Bosnien-Herzegowina, und da draußen lungert ein halbes Dutzend Gestalten herum, gegen die Ali Baba und die vierzig Räuber wie die Jahresversammlung englischer Butler erscheinen. Und du meinst, ich wäre ein Pessimist?«
    Rebecca lächelte flüchtig. »Ich wette, das kannst du nicht noch einmal sagen«, sagte sie.
    Stefan blieb ernst. »Weißt du eigentlich, wieviel uns dieses Unternehmen bisher gekostet hat?« »Auf den Pfennig genau«, antwortete Rebecca.
    »Dann ist dir hoffentlich ja auch klar, daß wir ruiniert sind, wenn das hier schiefgeht. Wir sind total pleite. Ich habe unser Konto bis zum absoluten Limit überzogen, um die Reise und den ganzen anderen Kram zu finanzieren; von dem, was seit unserer Abreise vermutlich schon wieder alles abgebucht worden ist, will ich lieber gar nicht reden. Wenn wir ohne eine Story zurückkommen, dann haben wir mehr als nur
ein
Problem.«
    »Jetzt siehst du aber wirklich zu schwarz«, sagte Rebecca. »Zur Not kannst du immer noch den Posten in der Firma meines Bruders annehmen.«
    Stefan schluckte die scharfe Antwort hinunter, die ihm auf der Zunge lag; zumal ihm das verhaltene Funkeln in Rebeccas fiebertrüben Augen klarmachte, daß sie das nur gesagt hatte, um ihn zu ärgern. Er hatte längst aufgehört, die Anlässe zu zählen, bei denen sie sich über
dieses
Thema gestritten hatten.
    »Ich meine es ernst«, sagte er. »Hören wir auf, uns etwas vorzumachen, Becci. Das ganze war eine Schnapsidee, von Anfang an.«
    »Wenn ich mich richtig erinnere, war es
deine
Schnapsidee.«
    Stefan war fast enttäuscht, daß es nur wie eine Feststellung klang; nicht im entferntesten wie ein Vorwurf.
    »Als Idee klang es ja auch gut«, sagte er. »Das ist vielleicht der Unterschied zwischen Theorie und Praxis.«
    Rebecca zuckte nur mit den Schultern. Es war nicht das erste Mal, daß er versucht hatte, das Gespräch behutsam in diese Richtung zu lenken, und daß sie es abblockte, und er wußte auch, daß es sinnlos war, den Versuch fortzusetzen. Becci und er kannten sich jetzt seit nahezu zwanzig Jahren, und es war ihm in all der Zeit niemals gelungen, sie zu irgend etwas zu überreden, das sie nicht wollte, oder von etwas abzubringen, was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte.
    Diese Reise war ein gutes Beispiel: Ursprünglich war sie tatsächlich
seine
Idee gewesen, aber Rebecca hatte diese sehr schnell okkupiert und bei ihrer Realisation genau jenes erschreckende Maß an Energie entwickelt, das er schon vor zwanzig Jahren so sehr an ihr bewundert hatte - was vermutlich letztendlich der Grund dafür gewesen war, daß sie geheiratet hatten, aller Vernunft und allen äußerlichen Widrigkeiten zum Trotz. Es war auch bei weitem nicht das erste Mal, daß diese überschäumende Energie sie in Schwierigkeiten brachte. Aber vielleicht das erste Mal, daß sie es so
gründlich
getan hatte. Die Liste der Probleme, die er gerade aufgezählt hatte, war nicht
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