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Wolfsfieber

Wolfsfieber

Titel: Wolfsfieber
Autoren: R Adelmann
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ge-
    hen, damit ich zurückkommen kann“, bot ich ihm an. Mein
    Herz hämmerte dröhnend laut und mein Kopf drehte sich.
    Seine unerwartete Nähe machte mich schwindelig und ließ
    auch den letzten Rest Stolz von mir abfallen. Mein Angebot
    quälte ihn sichtbar. Seine innere Zerrissenheit spiegelte sich
    in seinen flackernden, grünen Augen wider. Die gegensätz-
    liche Mischung aus hart und zart, Hingabe und Widerstand
    kam zurück in sein Gesicht.
    Er wollte mich genauso küssen wie ich, das fühlte ich ganz
    deutlich. Istvan rang in seinem Inneren mit dem Drang.
    Bitte lass ihn schwach werden. Nur ein Moment genügt mir.
    Ich brauche nur diesen einen Moment. Nicht mehr. Nur diesen
    einen Kuss, hoffte ich in Gedanken. Meine Augen versuch-
    ten, ihm dasselbe zu sagen. Ich konnte sein Zögern fühlen,
    den Widerwillen ebenso wie den Drang, sich mir zu nähern.
    Schon meinte ich den Kampf gewonnen zu haben, als sich
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    sein Kinn auf mich zu bewegte. Er schob es kaum merk-
    lich vor. Seine Augen küssten mich bereits. Istvan musste
    mich nur für eine Sekunde mit seinen Lippen berühren und
    wir würden wiederauferstehen, wir würden wiedergeboren
    werden in diesem Moment. Mein Herz überschlug sich bei
    dem Gedanken und beim Anblick seiner dichten Wimpern,
    die vom Regen glitzerten, hätte ich beinahe angefangen zu
    hyperventilieren. Doch dann sah ich es. Sein Kinn bewegte
    sich nicht länger in meine Nähe. Es wich mir aus. Anstatt
    mich zu küssen, streichelte sein Finger, kaum merklich, sanft
    meinen Hals entlang und zog dabei das Tuch von meiner
    Haut. Die gelblichen Stellen traten zutage. Selbst der Regen
    konnte sie nicht vor seinen Augen verbergen.
    „Es tut mir so leid. Ich kann nicht“, seufzte er. Sein Blick,
    die aufgerissenen Augen eines Besessenen, fixierten meinen
    Hals.
    Ich war außer mir. Ich riss mich von ihm los, seufzte und
    krampfte heulend. Doch als ich mein eigenes Zucken eini-
    germaßen beherrschen konnte, merkte ich, wie seines erst
    begann. Die Verwandlung hatte begonnen. Er krümmte sich
    über der Motorhaube. Das war der Moment. Es war Zeit zu
    gehen. Solange er sich verwandeln würde, konnte er mich
    nicht aufhalten. Jetzt oder nie. Ich stürmte ins Auto, sah sei-
    ne leidenden Bewegungen durch die Scheibe. Meine Hände
    zitterten bei seinem Anblick so stark, dass ich nicht mal den
    Schlüssel umdrehen konnte, den ich sowieso nicht sah. Der
    Tränenfilm vor meinen Augen überdeckte alles. Nur seine
    Augen und den Schmerz darin sah ich klar und deutlich. Das
    war meine Strafe. Ich sollte genau sehen, was ich anrichten
    würde. Ich warf mich elend heulend über das Lenkrad und
    verbarg mein Gesicht mit meinen Unterarmen, um nicht
    weiter sein Leiden mit ansehen zu müssen. Plötzlich riss je-
    mand an meiner Schulter. Ich fuhr erschrocken zusammen
    und presste mich zurück in den Sitz. Er hatte die Wagen-
    tür aufgemacht. Der Regen und mein Heulen hatten das
    Geräusch völlig überdeckt. Ich starrte ihn aufgebracht an,
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    meine zitternden Hände verkeilten sich krampfhaft mit dem
    Lenkrad, um Halt zu haben, um ihn nicht zu berühren.
    „Wirst du zu mir zurückkommen?“, fragte er mich völ-
    lig aufgelöst. Er musste sich sehr zusammennehmen, den
    Schmerz gänzlich unterdrücken, um diese Frage so klar
    und eindringlich formulieren zu können. Sein verkrampfter
    Körper lehnte am Metallrahmen der Tür, Istvan wartete auf
    meine Antwort. Ich schluckte hastig meine Tränen hinunter.
    Ich war im Schmerzverdrängen ein Feigling, verglichen mit
    Istvans übermenschlicher Beherrschung. So konnte ich nur
    abgehackt, aufgebracht, stammeln.
    „Ich gehe nur, weil ich dich liebe. Ich kann dich nur ver-
    lassen, weil ich hoffe, zu dir zurückzukommen. Und jetzt
    lass mich bitte gehen. Lass mich gehen!“, flehte ich ihn an.
    Er starrte mich finster an, als hätte ich ihn geschlagen und
    würde jetzt so tun, als hätte ich ihm nicht wehgetan. Aber
    noch etwas anderes las ich in seinen Augen. Es war tatsäch-
    lich noch Liebe darin, genug Liebe, um wiederzukommen.
    Vielleicht sogar genug, damit ich sein Herz wiedererobern
    konnte. Aber dazu musste ich stark genug sein, ihn zuerst zu
    verlassen.
    Ich startete den Motor und begann, den Wagen langsam
    losrollen zu lassen. Istvan machte einen Schritt von dem Wa-
    gen weg, so konnte ich die Tür zumachen. Ich wollte gerade
    auf das Gaspedal treten, um so schnell wie möglich davon-
    zurasen, da bemerkte ich, dass das Wagenheck sich hob.
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