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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2
Autoren: Ruth Adelmann
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klammerte mich daran, wie ein Ertrinkender sich an ein Stück Holz klammert.
    Immer wieder fragte ich ihn: „Hört du mich? Kannst du mich hören, Istvan?“ Aber ich bekam nur gequältes Stöhnen und Laute wie die eines verwundeten Tieres als Antwort.
    Nach einer grausamen Ewigkeit begann er endlich wieder zu sprechen. Aber ich konnte es kaum verstehen. Es war so schnell und fast lautlos.
    „Joe, wo bist du? Ich kann dich nicht sehen, kann deinen Herzschlag nicht hören. Gott, ich kann ihn nicht hören. Das ist das Schlimmste“, war alles, was ich verstand, auch wenn ich es nicht wollte. Er klang so verloren.
    „Ich bin doch hier“, sagte ich beruhigend. „Hier bei dir“, versicherte ich ihm und drückte seine eiskalte Hand. Führte seine andere über mein Herz, damit er das Schlagen fühlte, auch wenn er nicht mehr die Fähigkeit hatte, es zu hören.
    „Wo? Ich kann dich nicht sehen!“, sagte er völlig panisch. Und nicht fühlen!, schoss es mir gnadenlos durch den Kopf. Mein Herz setzte aus. Er war blind. Es soll aufhören! Wieso er! Wieso nicht ich? Nicht er! Nimm ihn mir nicht weg! Bitte, bleib bei mir!
    „Bleib bei mir! Hörst du meine Stimme?“, fragte ich beklommen.
    „Ich höre ihre Stimme“, murmelte er vor sich hin. Wieso erkannte er mich nicht? Wenn es einen Gott gibt, dann nimm mir das nicht! Nimm mir nicht meinen Abschied!
    „Istvan, ich bin es, Joe. Ich bin ganz nahe bei dir. Ich halte deine Hand und ich liebe dich. Bitte, sag, dass du fühlen kannst, wie ich deine Hand halte, ja?“, flehte ich außer mir.
    Stille. Eine gespenstisch lange Pause, die mir Angst einjagte, bevor er endlich die Angst mit seiner schönen, aber schwachen Stimme verscheuchte.
    „Ja“, hauchte er in meine Richtung. „Ich kann deine warme Hand fühlen. Du bist hier. Bei mir … Weißt du, wir werden uns wiedersehen“, sagte er, als wäre es das Offensichtlichste auf der Welt. Istvans Glaube war so stark, dass er nicht einmal jetzt von ihm abwich.
    „Ja, wir werden uns wiedersehen. Ich finde dich überall, weißt du“, sagte ich, ohne auch nur darüber nachzudenken. Irgendwie war sein Glaube zu meinem geworden, weil es die einzige Möglichkeit war, mit der ich weiterleben konnte. Die einzige Hoffnung.
    „Nein“, hauchte er kaum hörbar. „ Ich finde dich . So wie immer. Ich habe dich doch wiedergefunden, erinnerst du dich? Und du warst so schön. Fast so schön wie jetzt“, flüsterte er mir ins Ohr. Doch ich wusste, dass er mich jetzt nicht wirklich sehen konnte. Es war sein Herz, mit dem er immer noch sah. Und für sein Herz war ich immer schön gewesen und dafür würde ich ihm immer dankbar sein.
    Seine Finger tasteten blind über seine Brust. „Mein Anhänger. Die Kette“, versuchte er mir zu erklären.
    „Was ist damit?“
    „Ich will … ah.“ Wieder unterbrach ein krampfender Schmerz seine Gedanken. Er versuchte den Schmerz wegzuatmen, bevor er weitersprach. Tränen rannen mir die Wangen herab. Auch in seinen Augenwinkeln lösten die Schmerzen Tränen aus.
    „Ich will, dass du ihn trägst.“
    Ich weigerte mich nicht. Ich konnte ihm jetzt nichts abschlagen. Also nahm ich ihm die Kette ab, weil er zu schwach war, um es selbst zu tun. Sie fiel von meiner Brust auf seinen Hals. Seine Finger fanden den Anhänger und er küsste ihn.
    „Pass gut auf meine Joe auf, Orion“, sagte er und versuchte mich anzusehen. Seine grünen Augen waren zwar schon blind, aber immer noch unfassbar schön. Ich steckte die Kette unter mein Shirt und wusste, dass ich von nun an, wenn ich Orion am Himmel finden würde, nur noch an ihn denken würde. An meinen Wolf, meine große Liebe, die immer einen Weg finden würde, auf mich aufzupassen.
    „Ich liebe dich. Ich liebe dich. Vergiss das nie“, wiederholte ich immer wieder, weil es das Einzige war, was ich ihm mit-geben konnte, wohin immer er auch ging.
    Er wurde ganz ruhig und still, als er mir zuhörte, wie ich ihm immer wieder zärtlich ins Ohr flüsterte, wie sehr ich ihn liebte. Als er die Augen schloss, zog sich meine Brust zusammen, nur noch ein krankes Herz darin, aber der ziehende Schmerz ließ dieses Mal nicht nach, sondern blieb. Seine Brust hob sich kaum noch, was ich mit aufgerissenen Augen feststellte, sein Atem war gerade noch vorhanden.
    Mit kraftlosen Atemzügen murmelte er etwas vor sich hin, was ich nicht verstand. Es klang ungarisch.
    „Was sagt er?“, fragte ich in die aufkeimende Dunkelheit, ohne mich umzudrehen. Dieser Moment war nur für
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