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Wolfsfieber - Band 2

Wolfsfieber - Band 2

Titel: Wolfsfieber - Band 2
Autoren: Ruth Adelmann
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gelang.
    Aber irgendwann hörte ich das laute Knistern und Knacken eines Holzfeuers und schreckte hoch. Was brennt? Wer brennt?, dachte ich voller Panik und wollte mich gerade umdrehen, da hielt mich Serafina davon ab. Ihr Gesicht erschien vor mir, aber durch die Tränen erkannte ich sie kaum.
    „Nein“, sagte sie gebrochen, „sieh dir das nicht an!“
    „Was tut ihr da? Was verbrennt ihr?“, fragte ich bibbernd und grub meine steifen Finger in ihren Oberarm. Sie antworte nicht. Also schrie ich sie an: „Was? Sag’s mir?“
    „Seine Sachen“, murmelte sie und blickte zur Seite.
    „Alle? Was davon?“, verlangte ich zu wissen.
    „Alles, bis auf die Bücher und Schallplatten. Alles, was seine Identität oder sein Geheimnis verraten könnte.“ Als sie das sagte, da konnte ich nicht mehr anders. Ich schob sie weg und blickte über ihre Schulter auf eine riesige, chaotische Flamme, in die all seine Sachen geworfen wurden. Von jedem von ihnen. Sie nahmen mir alles, was von ihm geblieben war. Der Anblick war zerstörend. So etwas sollte niemand sehen. Niemals.
    „Er war damit einverstanden“, versuchte sie es abzuschwächen. War er? … Das hatte er also mit Valentin besprochen. Er wusste, was geschehen würde.
    Ich presste die Augenlider aufeinander und wandte mich ab, bis ich etwas Hartes, Papierenes in die Hand gedrückt bekam.
    „Hier“, flüsterte Serafina. Mehr sagte sie nicht, konnte sie nicht, weil sie wahrscheinlich fürchtete, dass die anderen sie dann hören würden. Ich wusste sofort, was sie in meine Obhut gab, heimlich. Es war sein Notizbuch, das sie für mich vor den Flammen gerettet hatte. Ohne nachzudenken, versteckte ich es unter meinem Shirt. Fest zog ich meine Arme um ihren Nacken und dankte ihr damit wortlos. Ich würde nie vergessen, was sie für mich getan hatte.
    Schritte kamen auf uns zu, übertönten die laute Feuersbrunst. Jakov.
    „Wir haben alles vorbereitet“, ließ er Serafina wissen, dann sagte er zu mir, ohne mich anzusehen: „Du kannst dich jetzt verabschieden, wenn du willst.“ Ich konnte keine Emotion in seinem Gesicht erkennen. Unmöglich zu sagen, ob er trauerte.
    „Ja. Ich will ihn noch einmal sehen“, sagte ich, auch wenn ich Angst davor hatte. Sie stützten mich beide, aber ich streifte ihre Arme ab, denn ich wollte Istvan nicht auf diese Weise gegenübertreten. So sollte ich nicht vor ihm erscheinen, wenn ich ihm die letzte Ehre erweisen würde. Ich zwang alles in mir, sich zusammenzureißen, nur für diesen Moment. Für ihn.
    Mit langsamen Schritten kam ich näher und musste gar nicht fragen, wo sie ihn hingebracht hatte. Wie von einem Magneten angezogen ging ich auf ihn zu. Sie hatten ihn auf ein niederes Bett aus Zweigen gelegt. Er sah aus, als würde er schlafen. Als könne er jeden Moment aufwachen, mich ansehen und sagen „Hey“, wie nur er es konnte. Doch mir dämmerte, dass das nicht geschehen würde, nie wieder. Da presste sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Zum ersten Mal, seit er gestorben war, fühlte ich es wieder. Und der Schmerz versicherte mir, dass ich noch am Leben war, ob ich wollte oder nicht. Ich atmete tief ein und aus, ehe ich mich an seine Seite setzte. Jemand hatte seine Hände über der Brust zusammengeführt.
    „Es gibt ein Wiedersehen. Das muss es“, flüsterte ich ihm zu.
    Ich fühlte Blicke in meinem Rücken. Ein Arm kam an mir vorbei und legte Istvan eine Münze auf die Brust. Ich sah hinter mich. Es war Marius, der versuchte, mich traurig anzulächeln.
    „Für die Heimreise. Damit sie gut geht“, erklärte er.
    Dann gab jeder von ihnen ein Münzstück dazu. Und sprach Abschiedsworte, deren Sprache ich nicht verstand, vielleicht erinnere ich mich auch nur nicht mehr daran. Ich starrte immer nur seine Hände an.
    „Willst du ihm nicht etwas von dir mitgeben? Das ist Brauch bei uns. Und ich bin mir sicher, er hätte gerne etwas von dir dabei. Besonders von dir“, flüsterte Valentin. Alle nickten und starrten auf mich. Was sollte ich ihm mitgeben? Das Einzige, was ich ihm wirklich je hatte schenken wollen, war ich selbst gewesen. Aber das hatte er nicht gewollt. Er hatte darauf bestanden, dass ich weiterleben sollte.
    „Was soll ich ihm geben?“, fragte ich sie verzweifelt.
    „Etwas von dir …“, meinte Jakov. „… was er geliebt hat.“ Da wusste ich es. Ich hielt Jakov meine Hand hin und deutete auf sein Messer. Er spannte sofort seine Finger darüber und sah panisch aus. Aber ich ließ nicht locker. Winkte
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