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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder
Autoren: Christian Oehlschläger
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besser verstehen zu können. »Haben Sie schon was
herausgefunden?«
    »Nein. Ich habe nur laut gedacht«, sagte
Mendelski, der den Blick nicht vom Gesicht der Toten ließ. »Das Mädchen ist
zweifellos tot. Hier kann kein gewöhnlicher Arzt mehr helfen. Was wir brauchen,
ist ein Gerichtsmediziner. Ich werde meine komplette Mannschaft herzitieren.«
    Auf Zehenspitzen verließ er das
Fichtengrün. Gleichzeitig tastete er seinen Lodenmantel nach dem Handy ab.
    * * *
    Die Kirchturmglocke der
Stadtkirche von Celle schlug dreimal. Als ob sie auf dieses Signal gewartet
hätten, erhob sich ein Schwarm Haustauben vom Dach des benachbarten Rathauses
und flog die gesamte Stechbahn entlang, bevor sie in den herbstlich bunten
Baumwipfeln des nahen Schlossparks untertauchten.
    Maike Schnur registrierte den
Glockenschlag, der durch die auf Kipp gestellte Terrassentür und den im Wind
leicht wehenden Vorhang in das Zimmer drang, nur im Unterbewusstsein. Sie
döste – und schnurrte vor Wohlbehagen wie eine Katze.
    Grund dafür waren Matthews zärtliche
Hände, die über ihren Rücken strichen. Bäuchlings und splitterfasernackt lag
sie auf ihrem Bett, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und ließ ihren Freund
gewähren.
    Jetzt hatte seine rechte Hand das Tattoo
erreicht – eine stilisierte Sonne mit wellenartigen Strahlen –, das
die linke ihrer wohlgeformten Pobacken zierte. Gewandt umkreiste sein
Zeigefinger den äußeren Rand des Symbols, um danach jeden einzelnen
Sonnenstrahl zu erkunden.
    Genau so hatte sie sich ihren freien
Nachmittag vorgestellt. Nachdem sie von Mendelskis eintägigem Jagdsonderurlaub
in der Heide erfahren hatte, war sie zu Steigenberger gelaufen und hatte
ebenfalls um einen freien Tag gebeten. Sie wollte den Donnerstag –
zumindest den Nachmittag – mit ihrem Freund verbringen. Matthew fuhr
zurzeit Taxi-Nachtschichten, sodass sie sich nur selten zu Gesicht und noch
seltener in die Arme bekamen. Die Gelegenheit war günstig, endlich einige der
zahlreichen Überstunden abzubummeln, die sich während der Ermittlungsarbeiten
zum gerade abgeschlossenen Obdachlosen-Mordfall angesammelt hatten.
    Der Kriminaldirektor hatte nur schweren
Herzens zugestimmt, da er den Nachmittag eigentlich für einen gemeinsamen
Besuch im Landeskriminalamt in Hannover vorgesehen hatte. Das Dezernat 31,
Operative Fallanalyse, veranstaltete einen Vortrag mit einem bekannten und sehr
erfolgreichen Profiler. Zum Glück war Ellen Vogelsang eingesprungen, was Maikes
Prosecco-Depot – ein Mitbringsel aus dem letzten Italienurlaub – um
zwei Flaschen verringert hatte.
    Maike bekam eine Gänsehaut nach der
anderen und seufzte laut. Gerade wollte sie sich umdrehen, um Matthew den
Zugriff auf ein weiteres Tattoo zu gewähren, ein winzig kleines, das oberhalb
ihrer rechten Brust angesiedelt war, als der melodische Klingelton eines Handys
erklang.
    »Oh no!« ,
stöhnte sie.
    » Your Diensthandy?«, fragte Matthew leise.
    »Yes, Sir.« Maike Schnur raufte sich die Haare. » I’m so sorry! Wenn ich schon mal Überstunden abbummeln will …«
    Matthew streckte seinen Arm aus und
fischte das Mobiltelefon vom Nachttisch »Hast du denn Bereitschaft?«, fragte
er, während er es ihr unter die gerümpfte Nase hielt.
    »Ja. Leider. Jedenfalls in dringenden
Fällen.« Sie nahm das Telefon und drückte den grünen Knopf. »Hallo, Robert.«
Sie gähnte demonstrativ. »Wo gibt’s Arbeit?«

ZWEI
    So schnell, wie der Regen
gekommen war, hörte er wieder auf.
    Sie befuhren die leicht ansteigende, von
rötlichem Schlamm überflutete Ausfallstraße von San José de las Matas in
Richtung Jánico, als das Geprassel auf dem Autodach wie von Geisterhand
dirigiert plötzlich abbrach. Als sie wenige Minuten später Pedregal passierten,
brachen die ersten Sonnenstrahlen durch die tief hängenden Wolkenfetzen und
spiegelten sich tausendfach in unzähligen Rinnsalen, Pfützen und tropfnassem
Grün. Geblendet griff der Fahrer des Toyota zur Sonnenbrille und setzte sie
auf.
    Fast hätte dieser kurze Moment der
Unachtsamkeit ein unvermittelt die Straße überquerendes Ferkel das Leben
gekostet. Der Fahrer riss das Lenkrad gerade noch rechtzeitig herum, konnte
aber nicht verhindern, dass das leichtsinnige Borstenvieh am Hinterteil
touchiert und in den Dreck geschleudert wurde. Laut quiekend und mit allen
vieren ungestüm strampelnd, rappelte sich das Unfallopfer wieder auf und
verschwand im dichten Röhricht des Straßengrabens.
    »Dios mio!« ,
entfuhr
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