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Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)

Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)

Titel: Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)
Autoren: Elli H. Radinger
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der geschützten Umgebung eines Nationalparks) nur unter Vorbehalt mit dem Verhalten europäischer Populationen vergleichbar ist, denn Europäische Wölfe sind sehr viel scheuer. Ich werde später noch detaillierter darauf eingehen.
     

Das Rotkäppchensyndrom
    Seit Tagen schon hat es nicht mehr aufgehört zu schneien. Ein Blizzard hat das kleine Dorf in Sibiriens Taiga fest im Griff. Bei eisigem Sturm und Minustemperaturen um 40 Grad Celsius können die Bewohner keinen Schritt mehr aus dem Haus machen. Sie schaffen es noch nicht einmal mehr zu den Vorratshäusern, wo sie die magere Ernte der letzten Jahre in tief in die Erde eingegrabenen Räumen aufbewahren. Die Menschen haben Hunger. Aber nicht nur sie.
    Draußen hören sie ein Heulen. Zunächst ist es nur ein einzelner Ton, aber in den nächsten Nächten werden es immer mehr – und sie kommen näher. Sobald es dunkel wird, sehen die Dorfbewohner graue Schatten um die Häuser huschen. Gelegentlich blicken glühende Augen durch die Fenster in ihre Stuben hinein. Die Wölfe sind da! Hungrig belagern sie das Dorf ...
    Solche oder ähnliche Geschichten können wir auch heute noch lesen – und nicht nur in alten Büchern. Auch manche Jagdzeitschrift lässt gerne das Klischee auferstehen, und am nächtlichen Lagerfeuer wird zum hundertsten Mal die Story erzählt von der russischen Troika, die von einem Rudel glutäugiger, blutrünstiger Wölfe verfolgt wird.
    Wölfe wecken schon immer ambivalente Gefühle in uns Menschen. Märchen wie »Rotkäppchen« oder »Der Wolf und die sieben Geißlein« haben uns von Kindesbeinen an das Fürchten gelehrt. Und dennoch sind sie uns so vertraut wie kein anderes Tier, denn ihre domestizierten Brüder und Schwestern leben seit Jahrtausenden gemeinsam mit uns in unseren Familien.
    Dank steter Aufklärungsbemühungen gibt es heute zum Glück immer mehr Menschen, die von sich behaupten, Wölfe zu lieben und keine Angst vor ihnen zu haben. Fragt man aber jemanden direkt, ob er denn etwas dagegen hätten, wenn in seinem Stadtwald ein Rudel Wölfe leben würde, dann kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: »Nein! So war das nicht gemeint. Im Stadtwald? Dann können wir ja mit den Kindern dort nicht mehr spazieren gehen!«
    Wölfe ja, aber nicht vor der eigenen Haustür. So lautet die Devise.
    Die Angst der Menschen vor dem Beutegreifer und insbesondere vor möglichen Angriffen nimmt teilweise bizarre Züge an. In New Mexico, der Heimat des seltenen Mexikanischen Wolfes, stellten die Behörden an Schulbushaltestellen vergitterte Holzverschläge auf, in denen sich die Kinder aufhalten sollten. In Whitehorse, Yukon, eskortierten bewaffnete Eltern ihre Kinder zur Schule. Und in Norwegen wurde der Nachwuchs selbst kürzeste Strecken mit dem Bus zur Schule gefahren.
    Die Angst vor dem Wolf war einer der Hauptgründe für die Vernichtung ganzer Populationen – und ist es bis heute noch. Jeder aufgeklärte Mensch weiß, dass Wölfe keine Menschen fressen. Gleichzeitig haben aber die meisten Angst davor, sie in ihrer Nähe zu haben, weil sie fürchten, dass der Wolf vielleicht doch einmal, »wenn er sich bedroht fühlt« oder »wenn er Hunger hat«, sie angreifen könnte. Ist diese Angst berechtigt?
     

Warum greifen Wölfe nicht an?
    Bevor wir uns fragen, ob und warum Wölfe Menschen angreifen, sollten wir uns die wichtigste Frage stellen: Warum greifen sie uns nicht an?
    Wenn ich sehe, wie ein Rudel Wölfe einen tonnenschweren kräftigen Elch niederreißt oder ein einzelner Wolf mit Leichtigkeit den Kopf eines Hirschen zerknackt, dann frage ich mich, warum wir, die wir doch so leichte Beute für sie wären, nicht von ihnen angegriffen werden.
Der amerikanische Biologe Douglas Pimlott erklärt das mit dem Respekt des Wolfes vor dem Menschen auf der Grundlage der Körpersprache: »Wölfe haben die instinktive Fähigkeit, Aggression oder Angst zu erkennen, die sich auf unterschwellige Weise durch unser Verhalten oder unsere Taten ausdrücken. Wir bewegen uns bewusst so wie viele Beutegreifer. Selbstbewusst streifen wir durch Wald und Feld, so wie ein Wolf, der auf der Suche nach Nahrung sein Revier durchquert.« Nach Ansicht von Pimlott können unsere Verhaltensmuster den Wölfen zu verstehen geben, dass wir gleichgestellte Jäger sind – nicht Beute.
    Der Wolfsforscher Dave Mech sieht einen weiteren Grund für die Vorsicht des Wolfes gegenüber dem Menschen darin, dass Menschen aufrecht gehen, was kein Beutetier des Wolfes tut. Auch
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