Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein -
Autoren: Der Inquisito
Vom Netzwerk:
ausge-mergelten Körper schüttelte. Er versuchte, ihr Gewicht zu schätzen, gestand sich aber fast im selben Augenblick ein, daß er kaum in der Lage wäre, sie bis ins Dorf hinunter zu tragen. Er war kein sehr kräftiger Mann.
    »Willst du sterben?« fragte er ernsthaft. »Das wirst du, wenn wir dich nicht zu jemandem bringen, der dir hilft.«
    »So schnell stirbt es sich nicht«, antwortete die Frau. Sie biß die Zähne zusammen, atmete noch einmal sehr tief ein und versuchte dann, sich aufzusetzen. Es gelang ihr sogar.
    Aber sie sackte fast sofort wieder zurück und krümmte sich vor Schmerzen.
    »Du dummes Weib!« sagte Tobias zornig. »Ich sollte dich hier sterben lassen, so, wie du das Kind getötet hast!«
    Mühsam hob sie den Kopf und blickte ihn an. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, aber ihr Augen blitzten. »Wovon redest du?« fragte sie. »Ich habe niemanden getötet. Ich ...
    ich habe gedacht, du wolltest uns etwas antun. Deshalb habe ich dich angegriffen. Ich hatte Angst.«
    24
    »Lüg nicht!« Tobias deutete auf ihr blutiges Kleid und dann zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.
    »Ich habe das Kind gefunden. Und ich habe deinen Sohn gesehen, als er auf der Brücke stand und Ausschau hielt, ob euch auch niemand beobachtet!«
    Es war nur eine Vermutung, aber er schien der Wahrheit damit ziemlich nahe zu kommen, denn ihr Blick flackerte kurz und angstvoll. Es war der Blick einer ertappten Sünderin, den Tobias schon oft in seinem Leben gesehen hatte.
    Dann aber schürzte die Frau trotzig die Lippen und versuchte abermals, sich aufzusetzen. Diesmal gelang es ihr.
    »Und wenn«, stöhnte sie. »Was geht es dich an?«
    Im ersten Moment war Tobias viel zu verblüfft, um überhaupt zu antworten. Aber dann begriff er, daß weder sie noch der Junge ihn gesehen hatten, wie er sich dem Fluß näherte. Vermutlich hatten sie ihn das erste Mal zu Gesicht bekommen, als er ihrer Spur zum Wald zurück folgte - und er trug ja jetzt nur das zerschlissene Untergewand, war bar-füßig und völlig durchnäßt. Wie sollte sie wissen, wer er war?
    »Nimm an, es ginge mich etwas an«, sagte er auswei-
    chend. »Und sei es nur, weil es jeden Christenmenschen etwas angeht, wenn eine Frau ihr Neugeborenes tötet!«
    In ihrem Blick lag nur Trotz. »Das habe ich nicht«, behauptete sie. »Es wurde tot geboren. Ich . . . war auf dem Weg in die Stadt, als die Wehen begannen. Frag meinen Sohn, er kann es dir bestätigen. Es kam tot zur Welt.«
    »Und dann hast du es kurzerhand in den Fluß geworfen?«
    schnappte Tobias. »Ich glaube dir nicht. Und selbst wenn -
    ein Kind einfach wegzuwerfen ist nicht viel besser, als es zu ermorden. Hast du dir gar keine Gedanken um seine Seele gemacht? Es hätte beerdigt werden müssen. Es hätte die Sakramente erhalten müssen, damit sich Gott seiner Seele annimmt.«
    »Seine Seele . . .« Die Stimme der Frau wurde bitter, und ein böses, schreckliches Funkeln trat in ihren Blick. »Es hatte keine Seele.«
    »Versündige dich nicht noch mehr, Weib«, sagte Tobias 25
    ernst. »Du weißt, daß du vielleicht stirbst. Willst du dein Gewissen außer mit einem Mord auch noch mit Gotteslästerung belasten?«
    »Gotteslästerung?« Sie lachte auf eine schmutzige Art und Weise, als hätte er einen obszönen Witz gemacht. »Was weißt du von Gotteslästerung? Was willst du von uns? Laß uns in Ruhe! Wenn du glaubst, daß ich hier sterbe, dann laß mich sterben! Es geht dich nichts an!«
    »Vielleicht doch«, antwortete Tobias leise. »Wie ist dein Name, Weib?«
    Einen Moment lang sah sie ihn nur trotzig an, aber dann antwortete sie widerwillig: »Greta. Das ist mein Sohn Frie-derich. Warum fragst du?«
    »Weil ich wissen möchte, für wen ich beten muß, Greta«, antwortete Tobias. »Warum hast du das Kind getötet? Du weißt, daß es ein Verbrechen gegen Gott ist, ein Menschenleben auszulöschen.«
    »Bist du ... ein Pfaffe?« fragte Greta mißtrauisch. Ihre Stimme gewann an Kraft, sie schien sich zusehends zu erholen.
    »Und wenn?« fragte er.
    »Dann ändert es auch nichts mehr«, antwortete sie. Plötzlich war ihre Stimme hart, erfüllt von einer Feindseligkeit, die er sich nicht recht erklären konnte. Sie hustete, aber als er die Hand nach ihr ausstrecken wollte, schlug sie seinen Arm beiseite und funkelte ihn an. »Du kommst zu spät, Pfaffe!« sagte sie. Und plötzlich schrie sie: »Ja! Bring mich ins Dorf! Klag mich an! Laß mich in den Kerker werfen oder hinrichten, aber verschone mich mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher