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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein -
Autoren: Der Inquisito
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gerade entbunden hatte und sicher nicht sehr schnell laufen konnte.
    Er lief die Böschung wieder hinauf, sah ein letztes Mal zur 17
    Stadt zurück und überzeugte sich davon, daß sich zwischen dem Fluß und Buchenfeld keine Menschenseele aufhielt.
    Also blieb nur die andere Richtung, hin zum Wald.
    Tobias überlegte einen Moment, ob er zurückgehen und seine Sachen holen sollte, entschied aber dann, daß er damit zu viel Zeit verlieren würde, und lief los.
    Schon nach wenigen Schritten fand er weitere Spuren. Die Frau war auf dem Weg geblieben, wohl, weil das Gehen dort weniger mühsam war, aber sie hatte Blut verloren, dunkle Flecke waren auf dem staubigen Weg zu sehen. So schnell, daß er am Ende völlig außer Atem und in Schweiß gebadet war, lief er den ganzen Weg zurück, den er gekommen war, und blieb am Waldrand stehen. Die Spur verlor sich hier.
    Unschlüssig sah er sich um. Er glaubte nicht, daß die Frau sehr tief in den Wald eingedrungen war. Es war nicht schwer, sich auszumalen, was geschehen war: Sie hatte das Kind geboren und ertränkt, und sie hatte es wahrscheinlich nicht gewagt, sofort nach Buchenfeld zurückzukehren, sondern sich zum Wald geschleppt, um sich irgendwo im dichten Unterholz zu verstecken und abzuwarten, bis sie wieder bei Kräften war. Eine Frau in ihrem Zustand würde nicht besonders weit kommen, ganz egal, ob sie ihn nun gesehen hatte oder nicht.
    Tobias blickte um sich. Der Weg, der zur Brücke und nach Buchenfeld führte, mündete nach wenigen Schritten in die Straße durch den Wald. Sie konnte sie überquert haben und dort zwischen den Bäumen verschwunden sein, aber er hielt es für wenig wahrscheinlich: Gebüsch und Unterholz waren dort drüben so dicht, daß es selbst ihm schwergefallen wäre, hindurchzukommen. Sie würde mit ihren Kräften haushal-ten.
    Also wandte er sich nach links. Er trat leise auf, um kein überflüssiges Geräusch zu machen, und blieb nach wenigen Schritten wieder stehen und lauschte. Das Licht drang hier, nur wenige Schritte jenseits des Waldrandes, kaum noch durch das dichte Laub, und wieder hatte er das Gefühl, in eine schattige grüne Kathedrale zu treten, in der Dinge lebten und Stimmen düstere Geschichten aus einer fernen, 18
    unheiligen Zeit erzählten. Für einen Moment kehrte die Angst zurück. Wenn es diese Frau und das Kind nun gar nicht gab, sondern beides nur eine Falle war, ein Köder, um ihn hierher zurückzulocken, damit die Dämonen dieses Ortes vollenden konnten, was sie gestern begonnen hatten?
    Unsinn!
    Der Mönch rief sich in Gedanken zur Ordnung und ging ein paar Schritte weiter.
    Er sah die Bewegung, aber er reagierte zu spät. Tobias machte einen ungeschickten Schritt zur Seite und hob ebenso ungeschickt die Arme, aber er konnte nicht mehr verhindern, daß die Gestalt gegen ihn prallte und ihn zu Boden riß. Schmerzhaft schlug er auf, prallte mit dem Rücken gegen einen Stein und versuchte, die Hände freizube-kommen, um sein Gesicht zu schützen. Es gelang ihm, doch nur, weil der andere in diesem Moment von ihm abließ und sich aufrichtete. Tobias sah eine hastige Bewegung, einen rasenden Schatten, und warf ganz instinktiv den Kopf zur Seite. Ein harter Gegenstand schrammte schmerzhaft über seine Hand und hinterließ einen tiefen, blutigen Kratzer darauf, und einen winzigen Augenblick später bohrte sich derselbe Gegenstand mit einem dumpfen Geräusch neben seinen Kopf in den Waldboden.
    Tobias schrie vor Schrecken, rollte herum und kam in einer eher zufälligen Bewegung auf Hände und Knie, noch während der Angreifer versuchte, den Stock wieder aus dem Boden zu ziehen. Tobias plagte sich auf -
    - und hielt verblüfft inne.
    Die Gestalt, die ihn von den Füßen gerissen und um ein Haar umgebracht hätte, reichte ihm kaum bis zur Brust, und er selbst war wahrlich kein Riese!
    Es war ein Kind, ob Junge oder Mädchen, war nicht zu erkennen, denn sein Gesicht und sein Haar starrten vor Schmutz, aber Pater Tobias erkannte sehr wohl, daß es allerhöchstens sechs oder sieben Jahre alt sein konnte. Seine Kraft reichte kaum aus, den Stecken wieder aus dem Waldboden zu zerren.
    Aber sofort mußte Tobias erkennen, daß er keineswegs 19
    außer Gefahr war, denn plötzlich hatte das Kind den Stock doch in der Hand und stürzte wie ein wildes Tier wieder auf ihn zu. Der Stock stieß nach seinem Magen, und Tobias handelte sich eine zweite, noch tiefere Schramme an der Hand ein, als er ihm im letzten Moment auswich und ihn gleichzeitig
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