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Wolf

Titel: Wolf
Autoren: Jeany Lena
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er war an ihn herangetreten, den Arm ausgestreckt. Ebenfalls wortlos hatte Julian ihm einen Verband angelegt, wobei er sich einerseits gewundert hatte, dass Valerion den alten überhaupt wieder abgenommen hatte und andererseits, wie gut die Wunde in der Heilung vorangeschritten war.
    Gestern Früh hatte sich das wiederholt.
    Julian fühlte sich dadurch … geschmeichelt. Es war lächerlich, doch so war es nun mal. Valerion sprach nie mit irgendjemandem, das hatte er die letzten zwei Tage vermehrt beobachtet. Er wich Menschen aktiv aus, die ihm zu nahe kamen, beobachtete sie nur. Überhaupt war sein ganzes Verhalten von Flucht geprägt - irgendwie. Ständig schien er angespannt zu sein, bereit zu flüchten. Und trotzdem hatte er sich Julian anvertraut und das nun, ließ ihn sich ziemlich gut fühlen. Valerion vertraute ihm, das gefiel Julian. Er konnte es nicht mehr abstreiten, nicht vor sich. Er hatte sich in ihn verguckt. So lächerlich das auch scheinen mochte. Vielleicht war es auch nur das Verlangen, dass Valerion ihm noch mehr vertrauen sollte. Dass Julian an ihn rankommen wollte, wie an ein wildes Tier. Denn je mehr er dessen Verhalten in seinem Kopf wiederholte, desto mehr erschien er ihm so. Wie ein wildes, verängstigtes Tier, das gezwungen war, in einer Umgebung zu leben, in der es sich nicht wohl fühlte.
    Und egal wie oft Julian sich sagte, dass es Schwachsinn war, dass Valerion einfach nur schüchtern war, es half nicht, diesen Eindruck abzuschütteln. Davon konnte ihn nicht einmal sein Wolf ablenken, der erneut jeden Abend auftauchte. Die Tage über glänzte er wieder mit Abwesenheit, während er ihn beobachtete, wann immer Julian nach der Dämmerung ans Gehege kam. Immer war sein Blick auf ihn fixiert, folgte er ihm in einigem Abstand, wenn er am Zaun entlang ging.
    Julian wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Stimmen an sein Ohr drangen. Zwei Kinder hingen fast über die Absperrung zu den Mardern. Sie kicherten und riefen hinein, klopften auf die Scheiben und das Gitter.
    „Hey!“, rief Julian, ging auf sie zu. Die Kinder wandten sich ihm zu, sprangen von der Absperrung.
    „Lasst das“, forderte er sie auf. Die Kinder grinsten übers ganze Gesicht, sprangen auf ihn zu. Julian runzelte die Stirn. Die waren ziemlich schräg drauf und er hatte hier schon einige Kinder gesehen. Diese hier gingen nicht, sie sprangen und hüpften. Und trotzdem sah es eigenartig aus. Fast als wollten sie Affen nachahmen. Und deren Gesichtsausdruck war auch eigenartig. Nicht wie das von übermütigen Kindern, sondern… hinterhältig. Gehässig grinsend.
    „Die Tier wollen ihre Ruhe haben“, erklärte Julian, eigentlich nur, um das unbehagliche Gefühl abzuschütteln, das sich seiner bemächtigt hatte. Die Kinder hielten an, richteten sich ein wenig auf. Den Blick auf ihn gerichtet, waren sie regelrecht erstarrt. Für eine Sekunde, dann wandten sie sich ab und liefen davon. Julian sah ihnen perplex hinterher, doch dann war er sich plötzlich sicher, dass sie gar nicht wegen ihm erstarrt waren.
    Langsam drehte er sich um. Valerion stand zehn Schritte hinter ihm. Reglos, den Blick dorthin gerichtet, wo die Kinder verschwunden waren. Sein Haar klebte ihm nass am Kopf, seine Füße waren nackt. Und trotzdem wirkte er plötzlich unwiderstehlich auf Julian. Nein, nicht plötzlich, schon länger. Er war ja auch heiß, mit seinen sehnigen Muskeln. Bloß hatte Julian ihn noch nie reglos stehen sehen.
    Als hätte er diesen Gedanken gehört, zuckte Valerions Blick zu ihm. Er sah ihm über die Entfernung einige Atemzüge lang in die Augen, dann wandte er sich ab und lief davon.
    Julian schüttelte den Kopf, um wieder ganz ins Hier und Jetzt zu kommen. Was ihm nicht so wirklich gelingen wollte.
    Was war das eben gewesen? Warum hatte Valerion keine Schuhe angehabt? Gerade bei diesem Wetter?
    Warum war er erneut hier? Warum? Warum? Warum?
    Hundert Fragen schienen es zu sein, die Julian im Kopf herum spukten. Ohne dass er wirklich gewollt hatte, stand er später vor dem Wolfsgehege, starrte hinein, ohne etwas wahrzunehmen.
    Jede Szene, jede Begegnung, jeder Blick auf Valerion wiederholte sich in seinem Kopf. Wieder und wieder. Und dann drängte sich ihm ein Gedanke auf, der ihm absurd erschien. Aber je länger er ihn herumwälzte, verwarf und er sich wieder aufdrängte, desto weniger unwahrscheinlich schien er ihm.
    Nämlich dass Valerion keine Dauerkarte hatte, sondern hier mehr oder weniger einbrach. Denn das eine Mal, als er
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