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Woge der Begierde

Woge der Begierde

Titel: Woge der Begierde
Autoren: Shirlee Busbee
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bloßer Zufall sein? Oder war es möglich … Er hielt inne, erwog, in welche Richtung seine Gedanken sich bewegten. Glaubte er allen Ernstes, dass Raoul am Leben war und seine Gräueltaten in der Wildnis Cornwalls fortsetzte?
    War es vorstellbar, dass sein Halbbruder wie durch ein Wunder seine schrecklichen Verletzungen überlebt hatte und irgendwie nach Cornwall gelangt war? Aber wovon sollte er leben? Und wo?
    Charles runzelte die Stirn. Geld. Das war die Antwort. Mangels anderer Erben war der Großteil von Sophies Vermögen auf ihn übergegangen, doch er hatte die Ereignisse jener Nacht noch immer nicht wirklich verarbeitet und sich daher nicht dafür interessiert, wer in ihrem Testament sonst bedacht worden war. War es möglich, dass sie geahnt hatte, dass Raoul irgendwann entlarvt werden würde, und für den Fall vorgesorgt, dass er fliehen und sich verstecken müsste, ihm Mittel verschafft, auf die er dann zurückgreifen konnte? Sie war eine kühl berechnende, durchaus kluge Frau gewesen und hatte sicher vorhersehen können, dass nicht nur die Wahrheit über Raouls Treiben ans Licht kommen könnte, sondern auch, dass es eine Zeit geben könnte, da sie ihn nicht mehr zu beschützen vermochte. Sie hätte gewusst, dass, wenn Raoul als bösartiger Mörder entlarvt würde und fliehen musste, er nicht ihr Geld erben konnte und auch keinen Zugriff auf sein eigenes hätte. Daher erschien es sinnvoll, dass sie für diesen Fall Pläne gemacht hatte …
    Charles legte den Brief zur Seite und nahm einen weiteren Schluck Brandy. Er konnte morgen schon seinem Anwalt schreiben und um eine vollständige Liste der Verfügungen
aus Sophies Testament bitten. Sein Blick glitt wieder zu dem Brief.
    Er nahm ihn, starrte ihn mehrere Minuten lang an. Ein kühles Lächeln umspielte seinen Mund. Ich frage mich, dachte er, ob Viscount Trevillyan wohl gerne Besuch bekäme, der ihm in der Eintönigkeit Cornwalls Gesellschaft leistet.
    Er schaute sich im Zimmer um. Es gab hier nichts für ihn außer Gespenstern und Erinnerungen. Er könnte genauso gut in Cornwall weilen.
    Einen Augenblick übermannten ihn Zweifel. Wollte er wirklich nach Cornwall reisen und sich einem Mann aufdrängen, den er kaum kannte? Und in weiß der Himmel welchen dunklen Nischen herumstöbern in der Hoffnung, einen Mörder aufzuspüren, der das Gesicht seines Halbbruders trug? Seines Halbbruders, der, wie ihm alle Welt beteuerte, schon lange tot war?
    Er griff nach seinem Glas und schwenkte den Rest des Brandys darin. Nun, was zur Hölle sollte er sonst tun? Hierbleiben und ständig mit Fragen und Schuldgefühlen konfrontiert werden?
    Nein. Er würde nach Cornwall fahren und sich bei dem ahnungslosen Lord Trevillyan einquartieren.
    Charles leerte das Glas. Ich bin entschlossen, stellte er fest, mich auf den Holzweg zu begeben. Und sicher hält Julian mich für verrückt. Er grinste. Vielleicht hat er sogar recht - und ich bin wirklich irre.

2
    I ch muss verrückt gewesen sein, dachte Daphne Beaumont, als sie in dem schwindenden Tageslicht auf die düstere Burg starrte, die vor ihnen aufragte. Nicht ganz eine Burg, verbesserte Daphne sich im Stillen, auch wenn sie keinerlei Ähnlichkeit mit dem reizenden Landhaus aufwies, das sie eigentlich zu sehen erwartet hatten. Phantasie ist etwas Wunderbares, musste Daphne zugeben. Das Gebäude verriet seine Wurzeln als alte normannische Festung, auch wenn offensichtlich Versuche unternommen worden waren, die nüchtern abweisende Anlage durch Anbauten und Umbaumaßnahmen zu verschönern. Vielleicht gefällt es uns bei Tag besser, versuchte Daphne sich hoffnungsvoll zu trösten.
    Während die Minuten verstrichen und sie unsicher warteten, war von außen kein Anzeichen für Leben in dem Gebäude zu entdecken, kein Lichtschimmer hinter den hohen, schmalen Fenstern, keine Rauchsäule, die aus einem der zahllosen Kamine stieg, keine geöffnete Tür, um sie einzulassen, einfach nichts. Nur dieses riesige Gemäuer aus Stein und Holz vor ihnen, das mit jedem Moment grimmiger und weniger willkommen heißend wirkte. So grimmig und wenig einladend sah das Gebäude aus, dass Daphne, eine überaus vernünftige junge Dame, die gewiss nicht unter einer zu lebhaften Phantasie litt, beinahe damit rechnete, gleich eine Hexe oder einen Zauberer von einem der Türme zu ihnen fliegen zu sehen und sie mit einem Fluch
zu belegen. Sie erschauerte unwillkürlich. Wohin hatte sie sie nur gebracht?
    Flankiert von ihrer sechzehnjährigen Schwester April
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