Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Woge der Begierde

Woge der Begierde

Titel: Woge der Begierde
Autoren: Shirlee Busbee
Vom Netzwerk:
jetzt in seinem Schlafzimmer vor dem Kamin und starrte einmal mehr an diesem Tage in die tanzenden Flammen, als könnte er darin seine Zukunft sehen. Selbst Garthwaites Klopfen an der Tür und sein vorsichtiges Eintreten, beladen mit einem Tablett mit den gewünschten
Speisen sowie einiger Scheiben Roastbeef und etwas Obst, erregte kaum sein Interesse. Nachdem er das Tablett auf einem niedrigen Mahagonitischchen neben seinem Herrn abgestellt hatte, führte erst sein diskretes Hüsteln dazu, dass Charles den Kopf wandte und den Butler ansah.
    »Benötigen Sie sonst noch etwas, Sir?«
    Charles ignorierte das Essen und schaute quer durch den Raum zu einer bauchigen Kommode, auf der eine Bakkarat-Karaffe und Gläser standen. »Ist die Karaffe voll?«
    Mit leicht schmerzverzerrter Miene antwortete Garthwaite: »Ja, Sir. Ich habe sie selbst erst vor einer Stunde aufgefüllt.«
    »Dann wäre das alles. Gute Nacht.«
    Garthwaite zögerte, und Charles blickte ihn leicht amüsiert an. »Sie kennen mich vielleicht, seit ich in Windeln lag, Garthwaite, aber ich schlage vor, dass Sie heute versuchen, mich nicht dazu zu drängen, dass ich wie ein kleiner Junge artig ins Bett gehe. Ich bin schon ewig nicht mehr artig gewesen - und ich werde jetzt nicht damit anfangen.«
    »Es steht mir nicht an«, erwiderte Garthwaite ernst, »Ihren Wunsch zu hinterfragen, sich ins Grab zu trinken, aber ich möchte Sie doch daran erinnern, dass Sie damit genau das tun, was Madame von Ihnen erwarten würde.«
    Charles entfuhr ein hässliches Lachen. »Verstanden. Gehen Sie ins Bett. Ich werde einiges von dem verdammten Essen zu mir nehmen, und ich verspreche weiterhin, mich nicht bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken - heute.«
    Mit dem Erfolg seiner Bemühungen zufrieden, verneigte Garthwaite sich und ging.
    Charles nahm sich ein Stück von dem würzig riechenden gelben Käse und eine Scheibe Brot, biss ab und zwang sich zu essen, ja, er ging sogar so weit, sich einen Apfel zu nehmen
und zu verzehren, nachdem er mit Brot und Käse fertig war. Da sein eher spartanisches Mahl nunmehr beendet war, war er der Ansicht, den Erwartungen seines Butlers gerecht geworden zu sein. Er stand auf und trat zur Kommode, goss sich ein Glas Brandy ein. Dann setzte er sich wieder auf den Sessel vor dem Kamin und starrte in die Flammen, ließ seine Gedanken schweifen.
    Das Haus war still bis auf das Heulen des Windes und das Peitschen des Regens, das Knistern der Flammen. Charles hätte sich entspannen können, die Gemütlichkeit seines Hauses genießen, aber das gelang ihm nicht. Er hatte nicht gelogen, als er Julian gesagt hatte, dass dieser Ort voller Geister für ihn war, und zwar nicht nur der Geister von Raoul und dessen Mutter, die auf den zahlreichen Fluren und Gängen spukten, sondern auch denen anderer.
    Während er ins Feuer schaute, konnte Charles beinahe das Gesicht seines älteren Bruders John vor sich sehen, der nun schon seit über zehn Jahren tot war, erhaschte in den Flammen sein lässiges Lächeln, den steten Blick seiner grünen Augen, die seinen so geglichen hatten. John war ihrer aller Gewissen gewesen, die Stütze der Familie. Alle, sogar ihr Vater Harlan, hatten sich um Rat und Anleitung an John gewandt. Charles hob sein Glas zu einem stillen Toast auf seinen Bruder. Du warst der Beste von uns, dachte er traurig. Und Raoul hat dich getötet. Einen Augenblick lang spürte er grenzenlosen Zorn in sich aufsteigen, aber er unterdrückte ihn entschlossen. John war tot, und das war Raoul auch. Und dem Himmel sei Dank, dachte er, dass Vater nicht lang genug gelebt hat, um zu erfahren, dass sein jüngster Sohn seinen ältesten umgebracht hatte. Johns Tod war schwer genug für ihn gewesen, und der einzige Trost seines trauernden Vaters war das Wissen
gewesen, dass eines Tages Daniel, Johns Sohn, Stonegate erben würde.
    Charles schloss die Augen, als Schmerz und Erbitterung ihn erfassten. Daniels Herrschaft über Stonegate war schrecklich kurz gewesen. Wie lange? Ein Jahr? Zwei? Dann war er durch seine eigene Hand gestorben. Von Raoul mit Lord Tynedale bekannt gemacht, einem stadtbekannten Wüstling und Spieler, hatte sich Daniel als leichte Beute für diesen erwiesen. Innerhalb weniger Monate hatte Daniel das gesamte Vermögen verspielt, das er von seiner Mutter geerbt hatte, und sich dann selbst das Leben genommen. Hatte Raoul gewusst, wie es enden würde, als er Daniel mit Tynedale bekannt gemacht hatte? Oder ist es schlicht das Glück des Teufels
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher