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Wofür stehst Du?

Wofür stehst Du?

Titel: Wofür stehst Du?
Autoren: Giovanni di Lorenzo Axel Hacke
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bedeutet? Den Hund wieder wegzugeben? Grausam, allen Beteiligten gegenüber, auch dem Hund. Die Kinder zwingen, sichum ihn zu kümmern? Das möchte ich sehen! Das Beste wäre wahrscheinlich noch gewesen, gar kein Tier zu kaufen, aus der Einsicht, dass ein Hund immer ein Familien-Hund ist und damit auch ein Eltern-Hund, nie bloß ein Kinder-Hund.
    Bueb klagt an, dass Eltern oft schwach sind und inkonsequent – womit er recht hat, weil Kinder konsequente und starke Eltern brauchen. Aber gleichzeitig schwingt in diesem »anklagen« etwas mit, das mich stört: Humorlosigkeit, Strenge, eine gewisse Unerbittlichkeit sich selbst gegenüber. Es ist einfach nicht menschlich, dem Menschen Konsequenz in allen Lebenslagen abzuverlangen. Man muss auch seine Schwächen sehen, verstehen und im Umgang mit diesen Schwächen Vorbild sein.
    Die besten Werte werden entwertet, wenn sie mit Humorlosigkeit, Strenge und Unerbittlichkeit durchgesetzt werden sollen.
    Ohne das Beispiel des Bueb’schen Hundes überstrapazieren zu wollen: Am meisten würden alle Beteiligten über die Werte ihres Lebens lernen, wenn sie reden würden über all das. Also: Warum die Eltern keinen Hund wollten und dann doch einen gekauft haben. Wieso die Kinder einen mochten und dann nicht mehr. Wie es das Leben dann doch wieder irgendwie geregelt hat. Und wie man es beim nächsten Hund besser machen könnte.
    So ist es nicht nur in der Familie. So ist es überall.
    Übrigens hätteich die Meinung Ingeborg Bachmanns zur Wiederbewaffnung damals nicht geteilt, weil ich, wie schon erwähnt, kein Pazifist bin. Ich kann nicht einen Wert über alle anderen stellen, den der Friedfertigkeit über den der Freiheit oder der Ablehnung jeder Diktatur.
    Ich finde den Frieden ungeheuer wichtig, aber keineswegs durchweg wichtiger als die Freiheit, und wenn wir in diesem Zusammenhang auf unsere Ausgangsfrage, Wofür stehst Du? , zurückkommen: Die Antwort liegt nur zum Teil in Begriffen wie Freiheit oder Frieden. Sie liegt vor allem darin, dass wir solche Werte so umfassend und kompliziert sehen wollen, wie sie sind.
    Man kann sich nicht für ein Ja oder ein Nein zu einer Abtreibung entscheiden, ohne die konkreten Umstände zu kennen und dann nach einem Entschluss zu suchen. Man kann nicht aus reinem Ekel vor den Vorgängen auf Lampedusa die Einwanderung schrankenlos freigeben wollen, denn auch hier befindet man sich im Konflikt mit anderen Werten: Der innere Frieden eines demokratischen Staates ist eben auch wertvoll.
    Wir wollen also nicht Dogmen hinterherlaufen, sondern in einer Art von effizientem Idealismus solche Werte, für die wir stehen, in ihrer Anwendung immer wieder gegeneinander abwägen, neu justieren, diskutieren, verhandeln. Ein Alibi, keinen festen Standpunkt einzunehmen, darf das allerdings nicht sein. Das wäre nichts anderes als Gleichgültigkeit, ja, mehr als das: eine wohlfeile Art, sich der Komplexität des Lebens zu entziehen. Zu dem, was in unserem Leben wichtig ist, gehört aber: die Welt mit ihren vielen Widersprüchen wahrzunehmen und zu ertragen, sich der Vereinfachung zu widersetzen – und sich dennoch für einen Weg zu entscheiden.
    Kann man in diesem Buch jede Erfahrung mit Kirche und Religion aussparen? Die Versuchung, genau das zu tun, ist groß, denn für mich ist der Glaube eine besonders private Privatsache. Ich bin davon überzeugt, dass Gesellschaften (und auch Kirchen) sich dann am freiesten entfalten können, wenn keiner mehr den anderen missionieren möchte. Ich habe Angst davor, dass ein religiöses Bekenntnis als aufdringlich empfunden werden könnte oder ich meinen eigenen Schutzpanzer ausgerechnet an der Stelle ablege, an der ein Schlag ganz besonders wehtun würde.
    Aber Kirche ist von meinem Leben nicht zu trennen, zu stark ist meine christliche Prägung gewesen. Da ich auch noch katholisch bin, fühle ich mich durch ein Wort von Heinrich Böll, das er einst an seine Kollegin Christa Wolf richtete, besonders gut getroffen: »Wer einmal Katholik war und wer einmal Kommunist war, der wird das nie wieder los.«
    Wenigstens habe ich es versucht und schon als Kind gelegentlich rebelliert. Während einer Kommunionstunde in Rimini behauptete ein Priester, dass nur die Katholiken wahre Christen seien, worauf ich – keinesfalls kleinlaut – erwiderte, dass meine halbe Verwandtschaft aus Protestanten bestehe, und das seien auch gute Menschen. Der Einfaltspinsel erklärte, mein Bruder und ich sollten zur Mutter Gottes beten, dass der Teufel
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