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Wofür stehst Du?

Wofür stehst Du?

Titel: Wofür stehst Du?
Autoren: Giovanni di Lorenzo Axel Hacke
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preisgeben mussten, mehr als wir uns am Anfang vorgestellt hatten – und oft mehr als uns lieb war. Anders aber scheint uns ein Buch wie dieses nicht glaubwürdig zu sein. Es ist deshalb auch eine Inventur geworden: Was haben wir erlebt? Was regt uns noch auf? Wo haben wir uns davongestohlen? Wann belügen wir uns?
    Überall in der Gesellschaft ist eine große Sehnsucht nach Klarheit, nach Führung und Eindeutigkeit zu spüren. Wir kennen das von uns selbst. Dieses Bedürfnis ist indes kaum zu erfüllen: Es führt in die Irre, wenn man nur dem Leben ständig mit Moral entgegentritt, es muss ja auch die Moral dem Leben standhalten.
    Viele Menschen fühlen sich deswegen orientierungslos. Einige suchen Halt in Heilslehren, weitaus mehr (was in jedem Fall ungefährlicher ist) in Ratgebern. Andere flüchten sich in Zynismus. Und wir? Relativieren wir mit unserem Bekenntnis zur Ambivalenz Werte und entwerten sie damit?
    Nein, denn wir wissen sehr wohl, dass man auch heute noch in vielen Situationen sehr klar zwischen Gut und Böse unterscheiden kann – und muss. Wir haben nur versucht, ehrlich zu bleiben: Es reicht nicht, die richtigen Maßstäbe im Leben zu finden. Man muss sie auch vermitteln können, sie mit sich und anderen immer wieder ausmachen.
    Wir sind aber auch getrieben von dem Wunsch, der durch Erklärungsversuche aller Art vertuschten Gleichgültigkeit vieler Menschen gegenüber anderen, der Gesellschaft und dem Staat etwas entgegenzusetzen.
    Die meisten von uns leben in einem Umfeld, das von ihnen fast nie tief greifende Wert-Entscheidungen verlangt. Wer von uns muss je sein Leben, seinen Wohlstand, die Sicherheit seiner Familie aufs Spiel setzen, indem er für etwas Gerechtes eintritt: einen Menschen vor der Verfolgung durch die Polizei einer Diktatur verstecken oder sich gegen Schläger stellen, die andere bedrohen, oder an einer Demonstration teilnehmen, deren Teilnehmer damit rechnen müssen, im Gefängnis zu landen? Wie viele von uns verzichten auf etwas Wichtiges, weil ihnen ein moralischer Aspekt noch wichtiger ist?
    Aber gerade weil wir so wenig riskieren, darf man von uns etwas erwarten: dass wir uns jeden Tag erinnern, wofür wir stehen möchten, ein bewusstes Leben führen, uns der Momente entsinnen, an denen wir den eigenen Werten nicht gewachsen waren und von uns selbst verlangen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Dieses Buch versucht das in Texten unterschiedlicher Art, Erinnerungen, Anmerkungen, kurzen Essays, vor allem aber in Geschichten, die wir abwechselnd erzählen. Sie sollen, so verschieden sie auch ausgefallen sind, ein Plädoyer sein gegen die Gleichgültigkeit.
    Unsere Texte unterscheiden sich, wie man beim Lesen schnell erkennen wird, im Schrifttyp.

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    Meine Leidenschaft für Politik
    oder
    Wie es kommt, dass ich mich manchmal
wie ein kleines Arschloch fühle
    Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man an Politik nicht interessiert sein kann. Bei mir begann dieses Interesse, als ich ein kleiner Junge war. Lag das an besonderen Einflüsterungen meiner Familie? Oder an der Zeit, in die ich hineingeboren wurde?
    Als ich klein war, protestierten fast überall in Europa die Studenten auf den Straßen, und in Vietnam führten die Amerikaner Krieg. Meine Eltern diskutierten bei jeder Gelegenheit über diese Themen, es waren aufregende Zeiten, zu aufregend für einen Neunjährigen, wie sie fanden. Sie erlaubten nicht, dass ich Zeitung las; ein Fernseher wurde gar nicht erst angeschafft.
    Das machte das Weltgeschehen für mich natürlich noch interessanter, als es ohnehin schon war. Und ich fand einen Weg, fast jeden Tag Zeitung zu lesen, schon als Drittklässler.
    Mein Vater kaufte, als wir in Rimini lebten, ein Blatt namens Il resto del carlino . (Der Name stammt aus einer anderen Zeit: Der carlino war einst eine Münze, die niemand mehr kennt, il resto war der Rest dieser Münze. Das Blatt kostete also ursprünglich offenbar nicht mehr als das Wechselgeld.) Das Mietshaus, in dem wir damals wohnten, war das letzte an einer längeren Straße, die direkt zum Strand führte. Der Blick von meinem Zimmer im vierten Stock war unverbaut, ich lag oft viele Stunden am Tag oben auf einem Etagenbett und schaute aufs Meer, ein Blick, der mich zugleich beruhigte und langweilte.
    Zum Zeitungsladen waren es vielleicht zweihundert Meter stadteinwärts, und mein Trick, doch irgendwie zum Zeitunglesen zu kommen, bestand darin, dem Vater anzubieten, ihm morgens den Resto del carlino vom Kiosk
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