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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt
Autoren: Åsa Nilsonne
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Theo erwiderte dieses Lächeln nicht. Sein Gesicht war noch verschlossener als sonst und nicht zu deuten, und das hätte ihr Angst gemacht, wenn sie nicht so darauf fixiert gewesen wäre, sich davor zu fürchten, was Salomon anrichten könnte.
    Sie musste versuchen, ruhiges Blut zu bewahren - wenn sie das von Anfang an getan hätte, dachte sie, dann wäre das alles nicht passiert.
    Aber das stand jetzt nicht zur Debatte, jetzt musste sie ei nen Plan entwerfen, und im Pläneschmieden war sie gut. Sie musste sich nur ein wenig beruhigen, dann würde sie auch dieses unerwartete Problem lösen.

Miss Ethiopia
    Mariams Herz machte manchmal überraschenderweise eine ganz besondere kleine Bewegung, wenn sie Theo an sah oder an ihn dachte. Zum ersten Mal war das gleich nach seiner Geburt geschehen. Er hatte nicht geschrien, wie das ihrer Vorstellung nach alle Kinder taten. Er hatte sich nur neugierig und mit großen Augen umgeschaut, und sein Blick war an ihrem Gesicht haften geblieben.
    Ach, so siehst du also aus, schien er zu denken. Du bist also meine Mama? Hallo. Hier bin ich endlich!
    Als Kind hatte Mariam sich vorgestellt, dass es für Wesen aus dem All sicher das Überraschendste von allem auf der Erde sein müsste - dass wir in unseren eigenen Körpern Ko pien unserer selbst herstellen.
    Seltsames System.
    Gefährliches System.
    Aber alles war gut gegangen, und als Theo sie mit sei nen dunkelblauen Augen ansah, hatte ihr Herz etwas ge macht, was ihr vorkam wie eine geschmeidige kleine Ro tation. Sie wusste, dass das Herz fest an die großen Schlag adern und die Lungenvenen gekoppelt war und dass es praktisch nicht von der Stelle bewegt werden konnte, falls man es nicht losschnitt, aber diesen Sprung hatte sie trotz dem gespürt. Sie kam zu dem Schluss, dass sie ihr ande res Herz bewegt hatte. Das andere Herz, das über Liebe und Trauer zu ihr sprach. Das manchmal schwer war und manchmal so leicht. Es war dieses Herz, das manchmal, ziemlich selten, in ihrem Innersten einen schönen, lufti gen und gut koordinierten Sprung vollzog, wenn sie das Wunder Theo ansah.
    Jetzt kam der Sprung, ganz unerwartet, als sie im Auto sa ßen, unterwegs zum Hilton Hotel und zur Miss Ethiopia Generalprobe. Das Schwein im Auto hieß Salomon, und ihre schlaflose Nacht hatte Salomon geheißen. Sie hatte morgens ihre Sekretärin angerufen und sie gebeten, alle Termine für diesen Tag abzusagen, sie hatte keine Erklä rung gegeben und sich dann einem verzweifelten Versuch von Krisenmanagement gewidmet. Jetzt war es fast schon fünf Uhr nachmittags, und sie versuchte, sich ein wenig auszuruhen, indem sie an etwas anderes dachte. Indem sie an Theo dachte.
    Er saß ganz still neben ihr und starrte vor sich hin. War er nicht unnatürlich still für seine siebzehn Jahre?
    Als Kind hatte er seine Umgebung mit seinem bewegten, ausdrucksvollen kleinen Gesicht beeindruckt. Seine Gefüh le waren in tausend Nuancen zu sehen gewesen. Jetzt hatte er sie abgeschirmt, ebenso wirkungsvoll, wie er sie früher allen gezeigt hatte, die sie sehen wollten.
    Mariam wusste, dass sie selbst auf eine konventionelle Weise gut aussah mit ihren regelmäßigen Zügen, und Mi kael war hübsch gewesen, wie viele junge Männer hübsch sind - aber in Theo hatten sich die Teile des Puzzles auf eine geheimnisvolle, magische Weise zusammengefügt.
    Sie wünschte sich, dieser Moment würde ewig dauern. Gerade jetzt hatte sie die Kontrolle. Nur er und sie saßen in der sicheren Blase des Autos, und niemand konnte sie errei chen. Es goss jetzt, das Wasser war wie ein lebendes Wesen, das über die Autofenster jagte. Sie hatte für einen Moment Lust, auf das Hilton zu pfeifen. Und auf Salomon. Einfach mit Theo weiterzufahren, bis sie irgendwo in der Ferne ei nen Ort erreichten, wo alles gut wäre.
    Aber einen solchen Ort gab es nicht.
    Im Norden lag Eritrea mit seiner entflammbaren und streng bewachten Grenze. Im Osten lagen Somalia und So maliland. Dorthin fuhr niemand, der Ruhe, Frieden und Sicherheit suchte. Im Westen lagen der Sudan und Dar fur. Und im Süden? Wollte sie nach Kenia oder Tansania? Nein.
    Es war außerdem nicht ihre Art, vor Schwierigkeiten da vonzulaufen. Sie gab nie nach, nur um Ärger zu vermei den.
    Aber jetzt machte ihr Herz seinen Sprung, wegen Theos langer Beine, seiner harmonischen Proportionen, seines un beweglichen Profils, und sie sagte zu seiner Überraschung:
    »Theo, weißt du, wie froh ich darüber bin, dass es dich gibt?«
    Er kehrte ihr sein
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