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Wofuer es sich zu sterben lohnt

Titel: Wofuer es sich zu sterben lohnt
Autoren: Åsa Nilsonne
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oben kamen. Er wur de langsamer und versuchte, so unberührt auszusehen wie möglich. Aber sein Gesicht erwies sich angesichts von zwei Polizisten mit gezogener Waffe als wirkungslos.
    Monika und Bosse sahen eine Blutspur, frisch und leuch tend rot auf der grauen Treppe, eine Blutspur, die bei ei nem Mann endete, der etwas über mittelgroß war, einem Mann, der nicht weiter auffiel. Einem Mann wie tausend andere, an dem sie vermutlich vorbeigerannt wären, wenn die Spur nicht auf so dramatische Weise zu seinem bluten den Bein geführt hätte.
    Dort, auf der schmalen Treppe, wurde aus Monika und Bosse zum ersten Mal ein Paar. Sie hatten vier Hände, mit denen sie arbeiten konnten, zwei Körper, vier Beine. Sie brauchten einander nicht anzusehen, um zu wissen, was sie zu tun hatten. Sie wurden von etwas gelenkt, das grö ßer war als sie selbst, sie waren Polizisten, gute und tüch tige Polizisten, die ihre Arbeit machten. Sie deckten ei nander, halfen einander, standen einander nicht im Weg. Sie schienen einer einstudierten Choreographie zu folgen, die damit endete, dass der Mann mit dem blutenden Bein stumm und ausdruckslos an der Wand lehnte. Bosse ließ seine Hände über Schultern und Seiten des Mannes wan dern, an der Außenseite der Beine nach unten, an der In nenseite wieder nach oben. Er betastete den flachen Bauch und den Brustkorb mit einer schweifenden, geübten Be wegung.
    »Nichts.«
    In seinen Taschen fanden sie nur Geld und eine Wäsche leine in einer nicht geöffneten Verpackung.
    Diesmal erhielt ihre Bitte bei der Einsatzzentrale höchs te Priorität.
    Eine Viertelstunde später hatten Monika, Bosse, Mariam und Theo sich auf Mariams Wohnzimmersofa sinken las sen. Johnny hatte durch das Fenster den Streifenwagen ge sehen, seine illegale Taser an sich genommen und in über raschendem Tempo seine Hunde davongezerrt. Der Rüde wackelte auf zitternden Beinen und weiterhin verwirrter Miene davon. Die Hündin, die Mariam in ihrer Wiederse hensfreude umgeworfen hatte, hatte mit wild wedelndem Schwanz weggehoben werden müssen. Ihre große, raue Zunge hatte Mariam von allem Make up befreit. Mariam und die Hündin hatten einander immer schon gut leiden können.
    Jetzt saßen sie da in verdutztem, verwirrtem Schweigen. Das Adrenalin hatte sich zurückgezogen und hatte sie er schöpft und matt zurückgelassen. Ein Krankenwagen hat te den blauäugigen Mörder geholt, die Polizei war in ihren Bus gesprungen und zum nächsten Einsatz weitergesaust. Monika und Bosse sollten Mariam und Theo zu einer rich tigen Vernehmung auf das Revier bringen, aber sie kamen einfach nicht los, sie saßen unschlüssig da und sahen sich an wie die Überlebenden einer entsetzlichen Katastrophe.
    Am Ende sagte Mariam:
    »Kinder zu haben ist wie mit dem Herzen außerhalb des Körpers zu leben.«
    Sie legte Theo die Hand auf die Wange.
    »Hast du wirklich geglaubt, ich hätte kaltblütig einen Menschen erschossen?«
    Er schaute ihr in die Augen. Sie hielt seinem Blick stand, als er sagte:
    »Beschwer dich nicht, du hast das ja auch von mir ge glaubt. Ich habe immer gewusst, dass dir alles zuzutrau en ist. Einfach alles.« Er sah verwundert aus. »Du hast ge glaubt, ich hätte Salomon erschossen. Deinetwegen. Du hast alles aufgegeben, was dir wichtig war. Meinetwegen.«
    »Du bist mein Herz, wirklich. Ohne dich könnte ich nicht mehr sein. Aber jetzt ist es vorbei.«
    »Das alles war also unnötig. Wir hätten auch gleich zu Hause bleiben können.«
    Mariam lächelte leicht.
    Seine Erinnerungen wurden bereits umgeformt, und das war gut so. Er hatte schon vergessen, dass er gesehen hatte, wie die Waffe aus ihrer Hand gefallen war. Er fing jetzt an, die Panik zu vergessen, die Polizei. Mariam wusste, dass er bei einem Verhör nicht hätte schweigen können. Ein ande res Kind vielleicht, aber nicht Theo.
    Sie lächelte, damit er nicht die Szene vor sich sah, die zu verhindern der Grund für ihre Flucht gewesen war: einen Theo, der gezwungen war, seine eigene Mutter zu verraten, dessen Aussage sie in den Tod schickte. Sie lächelte, weil sie eine Welt aufgebaut hatte, an die alle glauben würden.
    Sie sagte freundlich:
    »Es steht nicht fest, ob sie jemals den Mann gefunden hätten, der Salomon erschossen hat, und ob sie uns ge glaubt hätten. Und ich hätte einige Stunden oder Tage spä ter das nächste Opfer sein können. Hier waren wir sicher - fast jedenfalls.«
    Sie küsste Theo auf die Wange.
    »Jetzt haben sie ihn jedenfalls. Jetzt
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