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Wölfe und Kojoten

Wölfe und Kojoten

Titel: Wölfe und Kojoten
Autoren: Marcia Muller
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Beruf
genoß ich einen gewissen Ruf, ich besaß ein eigenes, kürzlich umgebautes Haus
und führte ein vergleichsweise komfortables Leben. Vielleicht war mir dadurch
die Fähigkeit verlorengegangen, eine Beziehung zu Menschen wie Gloria und Mike
aufzubauen, deren Leistung weit mehr Anerkennung verdiente als die meine.
    Der Gedanke verunsicherte mich. Das war
doch nicht meine Art — zumindest nicht in meiner Selbsteinschätzung.
    Hank sah mich an. Irgendwie schien ihn
mein Gesichtsausdruck zu ernüchtern. »Okay«, sagte er zu den anderen, »kommen
wir wieder zur Sache, wenn möglich.« Zu mir fügte er hinzu: »Wir haben dich
gebeten, an der Sitzung teilzunehmen, weil es um eine Beförderung geht.«
    Eine Beförderung. Sie wollten mich
nicht hinabstufen oder gar feuern. Sie wollten mir einen besseren Job geben.
    Aber warum hatte Hank sich dann vorhin
so verdammt sonderbar benommen? Warum wich er jetzt meinem Blick aus? Warum
starrte Pam auf den Teppich und verbarg ihr Gesicht hinter dem schwarzen
glänzenden Haar? Warum zuckten die Spitzen von Larrys gewichstem Schnauzbart,
während er in der Tüte nach Walnüssen grub? Nur Gloria und Mike sahen mich an —
erwartungsvoll, als ob sie die Freude mit mir teilen wollten.
    »Was für eine Beförderung?« Ich
versuchte, einen mißtrauischen Unterton zu vermeiden.
    Hank räusperte sich und sagte: »Wie du
weißt, hat mit der Ausweitung unserer Kanzlei auch die Ermittlungsarbeit enorm
zugenommen.«
    Ich nickte.
    »Wir möchten, daß du weitere Ermittler
einstellst. Zunächst einmal zwei. Über die Gehälter können wir beide nachher
sprechen. Dadurch entsteht eine eigene Abteilung, und die sollst du leiten.« Er
machte eine Pause und schien nach Worten zu suchen. Soweit war das ja eine gute
Nachricht. Warum tat er sich dann so schwer mit dieser Mitteilung?
    »Die Erweiterung deines
Verantwortungsbereichs bringt natürlich eine entsprechende Gehaltserhöhung mit
sich sowie sonstige Vergünstigungen«, fügte er hinzu.
    »Heißt das, ich bekomme mein
Autotelefon?« fragte ich scherzhaft. Dabei war das eine Vergünstigung, auf der
ich bestehen würde. Am letzten Wochenende hatte ich allen Grund gehabt, mich
über die Knauserigkeit von All Souls in bezug auf Ausrüstungsgegenstände, die
ich für unabdingbar hielt, zu ärgern. Da hätte ich das Telefon nämlich
notwendig gebraucht.
    Hank lächelte gequält. »Das läßt sich
sicher arrangieren. Im übrigen wirst du vielleicht bemerkt haben, daß wir mit
der Zunahme der Ermittlungsfälle jetzt auch stärker auf unsere
nichtjuristischen Mitarbeiter zurückgreifen müssen.«
    Die Art, wie er das Wort »jetzt«
betonte, machte mich vorsichtig. Ich wartete.
    Hank nahm die Brille ab und ließ sie um
einen Bügel kreisen — ein eindeutiges Zeichen von Unbehagen. »Wie du weißt,
entlastet der Einsatz von Anwaltsgehilfen die Anwälte von zeitraubenden
Aufgaben, bietet unseren Klienten einen effizienteren Service und sorgt für
eine höhere Profitmarge.«
    »Mein Gott, Hank«, sagte Larry, »das
hört sich ja an, als zitiertest du aus dem ›Handbuch für Anwaltsgehilfen in
Kalifornien‹.«
    Hank ließ ihn mit einem funkelnden
Blick verstummen. Ich sah zu Pam hinüber. Sie lächelte jetzt den Teppich an,
und ihr normalerweise blasses Gesicht war rot angelaufen vor unterdrücktem
Gelächter. Hank funkelte auch sie an, aber sie sah es nicht. Dann setzte er die
Brille wieder auf und blickte mich entschuldigend an. »Tut mir leid. Ich wollte
nur den Ausgangspunkt unserer Entscheidung darlegen.«
    »Warum nennst du nicht einfach die
Entscheidung beim Namen, und wenn ich Erläuterungen brauche, bitte ich darum?«
    Er blickte in die Runde, als hoffe er,
daß ihm das jemand anders abnähme. Kein Freiwilliger. Also sagte er
schließlich: »Wir haben beschlossen, Ermittlungsarbeit und Anwaltsgehilfen in
einer Abteilung zusammenzufassen mit dir als Verwaltungschefin.«
    Ich runzelte die Stirn, unfähig, seine
Worte zu begreifen. Einen Stab von Ermittlern zu leiten war eine Sache, aber
was verstand ich schon von der Arbeit der Anwaltsgehilfen? »Ich fühle mich
geschmeichelt«, sagte ich, »aber diese beiden Dinge scheinen mir unvereinbar.
Außerdem habe ich keine genaue Vorstellung von der eigentlichen Tätigkeit unserer Anwaltsgehilfen.«
    Gloria beugte sich vor. Sie sah mich
mit ihren dunklen Augen eindringlich an, und ihre Hände mit den karminroten
Fingernägeln unterstrichen ihre Worte. »Ein Anwaltsgehilfe recherchiert
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