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Wodka und Brot (German Edition)

Wodka und Brot (German Edition)

Titel: Wodka und Brot (German Edition)
Autoren: Mira Magén
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Reservisten der Pioniere, vielleicht würde ich ihn zufällig kennen, es handle sich um einen gewissen Scha’ul Harnoi.
    Das blaue Glas wurde trüb. Scha’ul Harnoi. Ein Mann mit ausgeblichenen Jeans, mit kräftigen Armen und weichen Berührungen. Ein Mann, der mich geliebt hatte, aber nicht genug.
    »Du bist schön, Amia«, hatte jener Scha’ul Harnoi gesagt, als wir einmal im Kreuztal spazieren gegangen waren. »Was wird sein, wenn ich mich am Ende an deine Schönheit gewöhne wie an das gewöhnliche, subventionierte Brot?«
    »Dann musst du eben auf Kümmelbrot umsteigen«, hatte ich gesagt, war aufgestanden und weggegangen. »Warte einen Moment«, hatte er mir hinterhergeschrien, doch ich hatte nicht gewartet, und seine Sandalen hatten hinter mir auf dem Boden geklappert. Er holte mich ein, ging neben mir, griff nach meinem Zopf und ließ ihn über meine Brust fallen, ich warf ihn wütend wieder über die Schulter. Er legte die Arme um mich. »Komm, mein Kümmelbrot.« Meine Brust wurde gegen seine Rippen gedrückt, und ich sah ein Stück vom siebten Himmel. Eine Nonne beobachtete uns aus dem Fenster des Klosters, bekreuzigte sich und riss den Mund auf, der nie geküsst werden würde. Wir küssten uns danach noch einige Male heftig, aber in seiner Brust klopfte das Herz von Alexander dem Großen, er wollte alle Frauen erobern, alle fremden Gebiete und alle Götter. Ich wollte das Herz eines einfachen Soldaten und verließ ihn, bevor ich für ihn zu einfachem Brot wurde.
    »Der Messias kommt nicht, und er ruft auch nicht an«, wurde im Radio gesungen.
    »Schalom Chanoch, der Sänger, hat recht«, sagte der Mann, der auf der Suche nach den Adressen von Reservesoldaten war. »Die Lage ist wie das Lied. Kein Gott, kein Messias, nur Anschläge.«
    »Ich kenne keinen Scha’ul Harnoi«, sagte ich und gab ihm eine Flasche kaltes Mineralwasser.
    »Kennen Sie die Feigenstraße?«
    »Im Westen.« Ich beschrieb ihm die große Straße, die sich in schmale Asphaltstreifen teilte, die die Namen der sieben Früchte Israels trugen, »Fahren Sie bis zur Dattelstraße, die mit der Olivenstraße verbunden ist und die Feigenstraße kreuzt.«
    »Feigenstraße 9.« Er öffnete das Fenster und schloss es wieder, ließ das Auto an und fuhr los. Die Salzheringe schlugen Wellen im Fass, das Öl in den Flaschen drohte überzulaufen, die Pistazienkerne platzten in ihren Tüten. Amjad hatte die Straße vor dem Laden gekehrt, seine traurigen Beine ragten aus den Hosen, die er bis zu den Knien hochgekrempelt hatte. Er packte die alten Brötchen in eine Tüte, um sie für seine Hühner mitzunehmen.
    Feigenstraße 9. Wie bist du vom Himmel gefallen, schöner Morgenstern. Scha’ul Harnoi. Du warst Feuer und Flamme für die Siedlungen in Israel, du hast gesagt, du würdest auf einem der Hügel ein Haus bauen, du würdest mit deinen Füßen den Weg ebnen, der noch nicht geebnet worden war. Und was kam heraus? Feigenstraße 9. Eine Wohnung in Little Boxes, in einem gottverlassenen Viertel am Saum der großen Stadt. Vielleicht hast du ja eine Frau gefunden, an deren Schönheit du dich nicht gewöhnst, und sie hat dir ein Kind oder zwei geboren, und das ganze vereinte Land gilt dir nichts gegen ihre Schönheit, wiegt nicht auf, was du geliebt und ihretwegen verlassen hast.
    »Mach mir die Rechnung, Amia.« Eine Frau legte Quark auf die Theke, dazu sechs Eier und stützte ihren runzligen Ellenbogen auf. Nachdem sie ihre Sachen genommen hatte und gegangen war, wartete ich keinen neuen Kunden ab, sondern kümmerte mich darum, dass Nadav nach dem Kindergarten abgeholt wurde, dann nahm ich meine Tasche und die Schlüssel.
    Mein Angestellter wunderte sich, weil ich so früh ging. »Bist du krank, oder habt ihr wieder einen Feiertag?«
    »Ich habe etwas zu erledigen«, sagte ich, stieg in meinen Mazda und fuhr durch die Stadt, über Straßen undMärkte, ich suchte; aber ich fand ihn nicht, fuhr durch die große Straße, die sich in kleine Straßen teilte, ich fuhr die Dattelstraße entlang, die mit der Olivenstraße verbunden war, bis zur Kreuzung der Feigenstraße. Ich zählte fünf, sieben, neun. Ein vierstöckiges Haus, zwanzig Fenster. Kaum vorstellbar, wie viele Zahnbürsten es in einem Haus mit sechzehn Wohnungen gab. Wie viele Strümpfe, wie viele Knöpfe, wie viele Messer. Die Stimme Israels aus Jerusalem, es ist siebzehn Uhr, Sie hören die Nachrichten … Ein gepanzertes Fahrzeug war im Gazastreifen auf eine Sprengladung gefahren, drei
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