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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
Autoren: Steven Johnson
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strotzenden Gewässern ist.
    Am nächsten Tag wagt sich Darwin mit dem Kapitän der
Beagle
, Vizeadmiral James Fitz Roy, auf die dem Wind zugewandte Seite des Atolls. Dort beobachten sie, wie gewaltige Wellen gegen die weißen Korallen krachen. Als Europäer ist Darwin eher die ruhigeren Gewässer des Ärmelkanals gewohnt und entsprechend beeindruckt von den hohen Wellen. In
Die Fahrt der Beagle
schreibt er: »Die Brecher haben beinahe die gleiche Kraft wie die während eines Sturms in den gemäßigten Zonen, und sie rollen ohne Unterlass.« Doch Darwins eigentliches Interesse gilt etwas anderem,nämlich nicht der Gewalt des anstürmenden Wassers, sondern dem Riff und den winzigen Organismen, die es gebaut haben und der Gewalt der Brecher widerstehen.
    »Der Ozean, der unablässig seine Wellen gegen das breite Riff schleudert, scheint ein unbesiegbarer, allmächtiger Feind, und doch sehen wir, wie eine andere Kraft ihm widersteht, ihn sogar besiegt, und das mit Mitteln, die zunächst schwach und ungeeignet erscheinen. Der Ozean verschont die Korallenfelsen nicht: Die großen Bruchstücke, die über das Riff verteilt liegen und sich am Strand anhäufen, sind deutliche Belege für die unerbittliche Kraft der Wellen … und doch halten die flachen und unscheinbaren Koralleninseln stand, tragen gar den Sieg davon, denn eine weitere Macht steht ihnen zur Seite: Organische Kräfte trennen Stück für Stück die Kalziumkarbonatatome aus den schäumenden Brechern und verbinden sie zu symmetrischen Strukturen. Mag der Hurrikan sie auch in tausend Stücke zerschlagen, was kann er schon ausrichten gegen das gemeinschaftliche Werk von Myriaden Architekten, die Monat für Monat, Tag und Nacht daran arbeiten?«
    Darwin interessiert sich für diese mikroskopisch kleinen Architekten, weil er glaubt, dass sie der Schlüssel sind zu dem Geheimnis, das zu lösen die
Beagle
zu den Kokosinseln aufgebrochen ist. In dem Memorandum der Admiralität, das die fünfjährige Reise autorisiert, steht die Erforschung der Entstehung von Atollen ganz oben auf der Liste. Darwins Mentor, der brillante Geologe Charles Lyell, hatte kurz zuvor die Theorie aufgestellt, Atolle wären unterseeische Vulkane, die durch Bewegungen der Erdkruste nach oben gedrückt wurden. Nach Lyells Theorie kommt die charakteristische kreisrunde Form eines Atolls von Korallenkolonien, die auf dem Rand des Vulkankraters Riffe ausbilden. Darwin wurde in seinem Denken stark von Lyells Verständnis der geologischen Tiefenzeit geprägt, aber jetzt, da er vom Strand aus die Brecher beobachtet,die gegen die Korallen schlagen, weiß er, dass sein Mentor bei der Entstehung von Atollen unrecht hat. Es ist kein rein geologisches Phänomen, sondern hat mit der innovativen Beharrlichkeit des Lebens auf der Erde zu tun. Und während Darwin über dieser Frage brütet, rührt sich in ihm noch ein anderer Gedanke: eine größere, umfassendere Theorie, mit der sich die unglaubliche Vielfalt biologischer Innovation auf der Erde erklären ließe. Das »luftge Nichts« nimmt ganz allmählich Gestalt an.
    Als er sich Tage später wieder an Bord der
Beagle
befindet, holt Darwin sein Notizbuch hervor und schreibt seine Gedanken zu dem faszinierenden Kampf zwischen Brandung und Korallen nieder. Wie als Vorausahnung auf die berühmteste Passage der
Entstehung der Arten
, die er dreißig Jahre später veröffentlichen würde, schreibt Darwin: »Ich weiß nicht, weshalb, aber es liegt etwas Erhabenes im Anblick der äußeren Ufer dieser Laguneninseln.« Es sollte zwar noch etwas dauern, aber es kam der Tag, da wusste Darwin, weshalb.
Die superlineare Stadt
    Der Schweizer Biologe Max Kleiber war schon immer etwas unkonventionell. Als Student schlenderte er in den 1910er Jahren mit offenem Hemdkragen und Sandalen durch die Straßen Zürichs und stieß so die braven Mitbürger vor den Kopf. Während seiner Dienstzeit in der Armee erfuhr er, dass seine Vorgesetzten die Deutschen mit Informationen versorgten, obwohl die Schweiz im Ersten Weltkrieg offiziell neutral war. Aus Protest erschien er einfach nicht zum nächsten Appell, was ihm eine siebenmonatige Haftstrafe einbrachte. Als arrivierter Biologe hatte Max Kleiber schließlich genug von den Restriktionen der Züricher Gesellschaftund entschied sich für einen Weg, auf dem ihm in den nächsten Jahrzehnten noch viele Sandalen tragende, unangepasste Kriegsgegner folgen sollten: Er ging nach Kalifornien.
    Kleiber übernahm eine Professur am Agricultural
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