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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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sich davon. Schwirrt glucksend durch die Nacht, schwebt heim, ins Bett und einen komatösen Schlaf.

Ein Monster in der Küche
    Als ich am nächsten Tag in der Gemeinschaftsküche meines Wohnhauses erscheine, liegt etwas auf dem Küchentisch. Es hat rote Haare, tiefe Ringe unter den Augen und furchtbar schlechte Laune. Irgendwann hebt es den Kopf. Es ist Eeva, meine Mitbewohnerin aus Finnland, die hier für ein Semester Theaterwissenschaften studiert.
    »Was ist los?«, frage ich.
    »Ich habe noch nie so viel getrunken wie in Island«, stöhnt sie.
    Ich nicke und sage: »Das verstehe ich.« Doch da regt sie sich erst richtig auf. »Tust du nicht!«, ruft sie. »Denn ich bin schließlich aus Finnland, verdammt!«
    Da begreife ich es erst wirklich. Die Sache hat mit Nationalstolz zu tun. Als Finnin kann sie es nur schwer ertragen, dass sie von Isländern unter den Tisch gesoffen wurde. Die Vorliebe fürs exzessive Feiern scheinen beide Nationen zu teilen. Und nicht nur das haben Finnen und Isländer gemeinsam. Sie gehören beide zu den Exoten Europas, kommen aus Ländern voller kauziger Charaktere, mit ulkigen Sprachen und endloser Natur.
    »Lass uns rausfahren, Eeva«, sage ich, »in die Natur. Das hilft
immer.« Und so mieten wir ein Auto und verlassen die Stadt. Mit an Bord ist Julie, unsere Mitbewohnerin aus Frankreich, die Geografie studiert und gerade eine Arbeit über die Wurzeln der isländischen Elfengeschichten schreibt. Gute Idee, denke ich. Selbst in Deutschland hatte es Artikel gegeben über eine isländische Elfenbeauftragte, die angeblich zurate gezogen wird, wenn Straßen gebaut werden. Um sicher zu gehen, dass in den Felsen, die dafür beiseitegeräumt werden müssen, keine Elfen hausen. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich nicht, dass die Elfenfrage in Island heikel ist und die Antworten mehr als rätselhaft sind.
    Dabei regt der landschaftliche Irrsinn Islands selbstverständlich zum Fantasieren an. Kaum hat man die Stadt verlassen, türmen sich Lavafelder am Wegesrand oder man fährt an Bergen vorbei mit Hängen aus grimmigem Geröll. »Golden Circle« heißt unser Ausflugsprogramm – der Klassiker unter den Tagestouren, den jeder Islandbesucher macht, weil man hier die berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Insel sieht.
    Zuerst nehmen wir Kurs auf Þingvellir. Jenen geschichtsträchtigen Ort, am nördlichen Ende des Þingvallavatn, dem größten See Islands, an dessen Ufer ab dem Jahr 930 das Althing tagte. Man wählte diesen Platz, weil er zentral gelegen war, es genügend Weideplatz für die Tiere gab, frisches Wasser und außerdem eine gute Akustik. Jeden Sommer schlugen die Bauernfürsten und ihr Gefolge hier ihre Zelte auf. Und weil die Isländer die Feste nun mal feiern, wie sie fallen, war die Gesetzesversammlung auch ein rauschendes Fest, bei dem gesungen und gedichtet wurde und allerlei Hochzeiten eingefädelt. Auf dem Gesetzfelsen, von dem man einst die Beschlüsse der Versammlung verkündete, prangt heute die blau-weiß-rote isländische Flagge. Blau für die See, weiß für das Eis und rot für die Lava.
    Aber das ist nicht das Spektakulärste, was man hier sieht. Es
sind die gewaltigen Risse, die sich durch die Landschaft ziehen. In Island erblickt man das, was sonst meist nur am Meeresboden passiert, an Land. Urgewalten spalten die Erde. An dieser Stelle, ist es am schönsten zu sehen, wie die Kontinentalplatten Europas und Nordamerikas auseinanderdriften. Die Erde platzt hier förmlich auf und hinterlässt tiefe Gräben, durch die man teilweise laufen kann und die sich andernorts mit Wasser gefüllt haben und zu beliebten Tauchspots geworden sind. Weil das Wasser klar und die Sicht gigantisch ist in den Schluchten zwischen den Kontinenten.
    »Anhaaalten«, ruft Eeva. Sie will aussteigen, noch bevor wir den Parkplatz erreichen. Entschlossen stürmt sie davon. Kurz darauf finden wir sie neben zwei mickrigen Tannen wieder. Sie lehnt sich dagegen und atmet tief ein. »Erinnert mich an zu Hause«, sagt sie.
    Und in der Tat sind Bäume in Island selten. Dabei war das Land zu Beginn der Besiedelung zu einem Viertel mit Birkenwäldern bedeckt. Kaum 300 Jahre später allerdings hatten die Siedler den Großteil gerodet und als Feuerholz verbrannt. Dem Rest machten die Schafe den Garaus. Heute forstet man Island mühsam wieder auf. Weshalb man gern scherzt: Was tut man, wenn man sich in einem isländischen Wald verlaufen hat? Die Antwort ist: Aufstehen!
    Nach der Begegnung mit den Bäumen geht es Eeva
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