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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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Küche. »Wir können ja mal einen Schafskopf essen gehen«, sagt er. Ich sage erst mal nichts. Und gucke aus dem Fenster.
    Wo eben noch Sonne war, ist plötzlich Hagel, dann Regen, dann Schnee. »Wenn du das Wetter nicht magst, dann warte fünf Minuten«, sagt Gisli und grinst. Das sagt man so in Island. Weil sich das Wetter von einer Minute auf die andere ändern kann. Und dort, wo sich das Wetter unentwegt ändert, wo außerdem Geysire aus dem Boden schießen und ewig irgendwo Lava kocht, das lerne ich schnell, macht man keine langfristigen Pläne. Sondern lebt. Jetzt. Und intensiv. Das sollte ich bald darauf an meinem ersten Freitagabend in Reykjavíks wildem Nachtleben erfahren.

Erste Ehe
    Ich bin am Boden. Aber so was von. Und dort packt mich das blanke Entsetzen. Schutzlos knie ich auf den Holzplanken eines dunklen Gebäudes, in dem es nach Bier, Schnaps, Lamm und einer aufgebrachten Meute Mensch riecht. Vor mir stehen drei bewaffnete Männer. Sie tragen Helme, Schwerter und Äxte und grinsen so höhnisch, dass es mich fröstelt. Wie konnte ich nur in solch eine missliche Lage geraten. Und das bloß, weil ich gesagt hatte, dass mich isländische Traditionen interessieren.
    Gisli hatte dem Redaktionsnachwuchs erzählt, dass ich einen Artikel schreiben will über die alte isländische Küche. Woraufhin die Kollegen gleich meinten: Dann gehen wir mit ihr ins Wikinger-Restaurant. Da kann sie fermentierten Haifisch probieren und das gute alte Islandlamm. Gesagt getan. Es war Freitagabend. Und das Leben eben noch schön. Die Haifischhäppchen mit der strengen Ammoniaknote hatte ich mithilfe eines Schnapses gerade noch überlebt. Auch den Wikingerliedern, die meine Kollegen alle auswendig kannten und lauthals schmetterten, sobald Männer mit Gitarren an unseren Holzbänken vorbeizogen, hatte ich noch fröhlich gelauscht. Jetzt aber stecke ich
mitten im Schlamassel. Man hatte mich zum Wikingertest angemeldet.
    Weshalb ich mit drei anderen Gästen auf dem Boden des Wikingerrestaurants knien muss und darauf warten, die Aufgaben zu bekommen, die uns zu Ehrenwikingern machen. Natürlich habe ich schreckliche Angst. Was wäre es für eine Blamage vor den Kollegen, wenn man mir Fragen stellt, die ich nicht beantworten kann! Was würde man dann mit uns machen? Uns in die Missetäterwüste (die gibt es wirklich!) verbannen, wie man es im Mittelalter mit den Verbrechern tat?
    Schwer nervös nutze ich die letzten Momente, die isländische Geschichte im Kopf durchzugehen. Island wurde erst spät besiedelt. Die ersten Menschen, die sich auf der Insel aufhielten, waren vermutlich irische Mönche, die sich in der Abgeschiedenheit der isländischen Landschaft Gott zu nähern versuchten. Allerdings verschwanden sie wieder, als die ersten dauerhaften Siedler kamen. Das war um das Jahr 874 herum.
    Davor hatte es bereits drei Expeditionen nach Island gegeben.
    Der Erste, der Island betrat, ein Norweger namens Naddoður, landete bloß zufällig auf der Insel. Eigentlich hatte er vorgehabt, auf die Färöer-Inseln zu gelangen, war aber im Sturm vom Kurs abgekommen. Er machte einen kurzen Halt. Doch das Land kam ihm unbewohnt und ungemütlich vor. Er nannte es »Schneeland« und fuhr wieder ab. Der Nächste, ein Schwede namens Garðar, stellte fest, dass Island eine Insel ist. Er umrundete sie, verbrachte einen Winter im Norden und benannte die Insel ganz unbescheiden nach sich selbst: Garðarshólmi. Ein Dritter, der von der Insel hörte und Flóki hieß, wollte sich gleich ganz dort niederlassen und zog mit seiner Familie und dem gesamtem Haushalt los. Den Sommer lang lief auch alles gut. Doch dann vergaß er, rechtzeitig Heu zu machen, und so verhungerten
ihm im endlos langen Winter seine Tiere. Frustriert segelte er fort und gab der Insel den Namen »Island«, den sie bis heute trägt.
    Manch Isländer allerdings behauptet, der Name sei einer der ersten PR-Tricks der Geschichte. Man nannte die Insel »Island«, damit nicht so viele Leute herkommen würden und man mehr Platz für sich hatte. Genau wie man Grönland »Grünland« nannte, um Leute anzulocken.
    Wie dem auch sei. Der erste Siedler, der dauerhaft kam, hieß Ingólfur Arnarson. In seiner Heimat Norwegen hatte er zusammen mit seinem Ziehbruder zwei Nachbarn getötet und sein Land verloren. Und so zogen die beiden mit Familie, keltischen Sklaven und Tieren in den Norden. Der Ziehbruder allerdings wurde kurz nach seiner Landung in Island von den eigenen Sklaven erschlagen.
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