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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Autoren: Andrea Walter
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Ingólfur hingegen hielt durch und siedelte 874 dort, wo die Hochsitzpfeiler seines alten Hauses an Land gespült wurden.
    Das war damals ein beliebter Brauch der Wikinger. War Land in Sicht, warf man die Pfeiler ins Meer und ließ die Küste später von den Sklaven danach absuchen. An dem Ort, an dem man sie fand, ließ man sich nieder. Denn er war, so meinte man, von den Göttern bestimmt. Die Hochsitzpfeiler Ingólfurs landeten in Reykjavík, was übersetzt so viel wie »Rauchbucht« heißt – wegen der heißen Quellen direkt in der Nähe. Es war ein guter Ort für neue Siedler. Doch es ist ein denkbar schlechter Ort, um auf dem Boden zu knien und auf einen Wikingertest zu warten.
    Einer der Männer mit Helm und Kettenhemd vor mir lacht schon wieder so höhnisch. Sofort feile ich an meiner Strategie. Vielleicht sollte ich die Sache doch lieber anders erzählen. Den Nachbarmord des Ingólfur Arnarson lasse ich besser aus und erzähle die Geschichte so, wie Isländer das gern tun, wenn es darum
geht, zu sagen, wer ihre Vorfahren sind: Es waren allesamt coole Freigeister, die keine Lust hatten, Steuern zu zahlen.
    In der Zeit von 870 bis 930 gab es in der Tat große Auswandererwellen aus Norwegen. Man floh, weil König Harald Schönhaar dabei war, sich das Land unter den Nagel zu reißen und neue Gesetze einzuführen. Die übliche Aussiedlerroute verlief dabei über die Britischen Inseln, denn die Küstenregionen Schottlands und Irlands waren damals von norwegischen Wikingern besiedelt. Daher kommt es, dass man keltische Sklaven mitnahm, darunter viele Iren, und vor allem mehr Frauen als Männer.
    Womit kann ich die Wikinger noch bezirzen? Vielleicht damit, dass bereits 930 das Althing gegründet wurde, das »älteste noch aktive Parlament der Welt«, wie die Isländer gern sagen. Denn Althing (isländisch: Alþingi) heißt das Parlament bis heute. Heute allerdings sitzt es in Reykjavík, während es früher am See Þingvallavatn tagte. Einmal im Jahr versammelten sich dort die freien Männer, um Rechtsstreitigkeiten auszufechten, Urteile zu fällen und Gesetze zu beschließen. Gleichzeitig war die Versammlung eine Art Volksfest bei dem Athleten, Kämpfer, Jongleure und Geschichtenerzähler ihre Künste darboten und Poeten ihre Gedichte vortrugen.
    Man hat also schon immer gern gefeiert. Und gedichtet. Mehr noch, wer die Kunst des Dichtens und des Redens nicht beherrschte, wurde in Island erst gar nicht ernst genommen. Könnte ich jetzt wenigstens ein Gedicht, ich wäre gerettet. Doch ich muss mir wohl anders behelfen. Von der isländischen Literatur schwärmen, den Sagas aus dem Mittelalter und den Götterliedern aus der Edda . Oder, noch besser: Ich werde erzählen, dass selbst in der berühmten Waräger-Garde des byzantinischen Kaisers Isländer zu finden waren.

    Doch dann kommt alles anders. »Andrrrea«, höre ich den Wikinger vor mir mit dem gerollten isländischen »Rrrr« raunen. Ich zucke zusammen. Meine Kollegen johlen.
    Da füllen sie das Horn eines Schafsbocks randvoll mit Schnaps. »Trinkt!«, herrschen uns die Wikinger an. Und das ist dann auch alles, was wir tun müssen, um Ehrenwikinger zu werden. Nur bei mir hält der eine doch noch mal inne. »Nicht zu viel«, befiehlt er. »Ich möchte, dass du mich gut in Erinnerung behältst.« Und so wirft er mich, nach einem kräftigen Schluck Schnaps, über seine Schulter, stapft mit mir durchs Restaurant und behauptet, wir wären jetzt verheiratet. Ich schätze, so hat man das mit den Keltinnen früher auch gemacht. Doch es wird die kürzeste Ehe meines Lebens. Sobald ich wieder Boden unter den Füßen habe, laufe ich weg und zurück in heimatliche Gefilde, an den Holztisch meiner Sippe. Und die strotzt bereits vor Entdeckergeist. Es geht weiter, hinaus in die isländische Nacht!
    Wobei es zuvor ein paar Worte zur isländischen Prohibition bedarf. Ab 1915 galt ein totales Alkoholverbot auf der Insel. Allerdings hielt es nur sieben Jahre. Dann nämlich drohten die Spanier, keinen Stockfisch mehr zu kaufen, falls Island ihnen keinen Wein abnähme. Und so machte man beim Wein eben eine Ausnahme. Daher stammt übrigens auch der Name der Verkaufsstellen des staatlichen Monopolunternehmens, das damals den Verkauf des Weins regulierte und das es bis heute gibt: Vínbúð (Weingeschäft). Zwölf Jahre später, 1934, fiel auch die Prohibition von Hochprozentigem. Allerdings sorgte die Regierung extra für unattraktive Etiketten und klebte sogar ein Totenkopfzeichen
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