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Wo die Toten ruhen - Psychothriller

Titel: Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Autoren: PeP eBooks
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warteten, aber Ray fuhr nicht los. »Ich muss dir noch etwas sagen, Leigh. Es ist so, ich habe immer schon gewusst, dass es Leute gibt, die plötzlich psychische Krisen durchleben. Ich habe das nie sonderlich ernst genommen. Bis es mir plötzlich selbst passiert ist. Dieses Jahr. Als du damit angefangen hast, vom Kinderkriegen zu reden. Weißt du noch?«
    Leigh nickte.
    »Es … also, ich habe Angst bekommen. Ich hatte nie einen Vater. Es gab kein Vorbild für diese Rolle. Meine Eltern hatten sich scheiden lassen. Obwohl meine Mutter nie über ihn gesprochen hat, begriff ich, dass es einen Grund dafür geben musste, dass er ein Tabuthema war, vielleicht etwas ziemlich Hässliches. Ich fürchtete, kein guter Vater zu werden.«
    »Ray, darüber können wir doch später noch reden.«
    »Nein. Denn ich habe schlechte Neuigkeiten. Es hat sich herausgestellt … zumindest habe ich das durch mein verbissenes Nachforschen herausgefunden …«, er lachte leise, »… dass ich
Recht hatte. Mein Vater war ein übler Schläger. Er hat meiner Mutter viele Jahre nachgestellt. Er war der Grund, warum wir all die Jahre wie aufgescheuchte Kaninchen auf der Flucht waren.«
    »Woher weißt du das, Ray?«, fragte Leigh.
    Er erzählte von den Schlüsseln, den Häusern und schließlich auch von den Kassetten.
    »Warum hat deine Mutter das alles aufgezeichnet«, fragte Kat, »und die Kassetten dann in den Häusern versteckt?«
    »Ich habe eine Theorie. Sie hatte Angst, dass er sie eines Tages finden würde. Sie fürchtete, dass er ihr dann etwas antun oder sie womöglich töten würde, und damit hätte sie für Hinweise gesorgt, die der Polizei nützlich sein würden, wenn es nicht sogar Beweise gewesen wären.«
    »Aber die Kassetten waren versteckt.«
    »Wenn sie ermordet worden wäre, hätte man das Haus durchsucht, dann hätte man sie leicht finden können.«
    Leigh runzelte besorgt die Stirn. »Dann weißt du endlich Bescheid über deinen Vater. Niemand hat unkomplizierte Eltern, Ray. Manche sind schlimmer, manche weniger schlimm, aber das heißt nicht …«
    »Ich habe viel darüber nachgedacht. Man macht sich selbst zum Krüppel«, fuhr er verbittert fort, »indem man wie besessen nach einem Warum sucht und sich mit Dingen beschäftigt, die ohnehin nicht zu ändern sind. Seit du weggegangen bist, verstehe ich die Liebe viel besser. Sie ist wie«, er suchte nach Worten, »ein Haus mit Wänden, die jeden Tag ihre Farbe, ihre Form und ihre Position ändern, ein Haus voller Leben, dass es nie aufhört, sich zu verändern. Ich möchte dir sagen … ich habe keine Angst mehr davor.« Sie schauten einander an, dann umarmten sie sich zärtlich, verschmolzen in einer innigen Umarmung, die Kat den Atem anhalten ließ.

    Schließlich lösten sie sich voneinander und richteten sich auf, und dann warf Ray endlich den Motor an.

30
    Esmé stand an der Kellertür und zögerte. Sie hörte dort unten ihren Sohn, die Liebe ihres Lebens. Sie wünschte sich, wenigstens er würde sie verstehen.
    Sie öffnete die Tür zum Keller und schlich - die Hand am Geländer und ohne Licht einzuschalten - nach unten.
     
    Ray zwängte sich in den stockdunklen Keller. Kat hatte ihm eine kleine Taschenlampe in die Hand gedrückt, deren schwacher Lichtkegel nur kleine, helle Flecken an die Wand warf.
    Er hörte ein Geräusch vom oberen Ende der Treppe kommen.
    Mom, dachte er.
    Er leuchtete mit der Taschenlampe ringsherum, entdeckte Spinnweben, Spinnen, nahm die muffige Feuchtigkeit dieses Kellers wahr, der - wie er fand - unbedingt trockengelegt werden müsste.
    »Mom?«, fragte er nun laut und ging in den Raum hinein.
    Ihre Antwort kam plötzlich ganz aus der Nähe, nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, wie ein Windhauch. Er glaubte fast zu spüren, dass sie seine Wange berührte.
    »Gleich hier.«
    »Mom!« Er hörte sie noch näher kommen. Er hörte das Pochen seines Herzens und glaubte, auch ihres zu hören.
    »Du bist also eingebrochen.«
    »Du hast mich ausgesperrt, mir meine Schlüssel abgenommen.
Du wolltest die Haustür nicht aufmachen. Ich muss mit dir reden, Mom.«
    »Ich hatte gehofft, Leigh würde nie zurückkommen«, sagte sie. »Ich dachte, wenn sie nicht zurückkommt, kommen wir beide wieder miteinander klar. Können so weitermachen wie vorher.«
    »Ich liebe Leigh, Mom. Ich will, dass sie wieder zu mir nach Hause kommt.«
    »Ich weiß, dass du Leigh liebst. Aber ich bin wütend auf sie.«
    »Ihre Freundin Kat hat mich dazu gebracht, sie zu suchen.
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