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Wo die Toten ruhen - Psychothriller

Titel: Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Autoren: PeP eBooks
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sie so krank war, dann hätten wir nach Australien oder sonst wohin ziehen können. Dann wäre all das nicht passiert.«
    »Du hast ihn umgebracht! O Gott, du hast es getan!«
    »Nein, Ray, ich habe ihn nur aufgehalten. Er ist eingebrochen, genau wie du.«
    »Warte. Warte.« Sie standen im Halbdunkel, beide schwer atmend.
    »Er hat versucht, dir etwas anzutun, Mom? Er hat dich angegriffen?«, sagte Ray schließlich mit brechender Stimme.
    »Er hatte nicht die Gelegenheit.«
    »Es war Notwehr«, murmelte Ray. »Er hat dich bedroht. Das wird dich entlasten.« Er tastete noch einmal nach dem zerlumpten Stoff.
    »Ein Richter wird das anders sehen, mein Sohn.«
    »Aber er ist eingebrochen …«
    »Ray. Ray, liebstes Kind, dein Vater ist nicht meinetwegen hergekommen. Er kam deinetwegen.«
    »Er kam her, um mir etwas anzutun? Aber warum? Warum? Glaubte er etwa, ich wäre nicht sein Sohn?«
    »Henry …«, sie spuckte seinen Namen förmlich aus, »… hatte das volle Sorgerecht für dich.«
    »Aber …«
    »Ja, das ist unfassbar, oder? Ein Kind seiner Mutter zu entreißen!«
    »Aber warum haben sie das getan?«
    »Er hat den verantwortungsvollen Vater gespielt. Und ich war damals nicht so durchtrieben. Ich war eine junge Frau, als ich dich bekam, weißt du, gerade Anfang zwanzig. Ich wollte ein bisschen Spaß im Leben! Ich hatte ein bisschen Spaß verdient!« Sie warf ihm einen verzweifelten Blick zu. »Und eines Tages,
eines schrecklichen Tages habe ich etwas wirklich Dummes gemacht. Ich bin betrunken Auto gefahren.«
    Er überlegte. »Dass man dich dabei erwischt hat, wie du unter Alkoholeinfluss am Steuer gesessen hast, hat gereicht, um dir das Sorgerecht zu entziehen? Ich meine, warum haben sie nicht dafür gesorgt, dass du eine Entziehungskur bekommst, und die Sache gut sein lassen?«
    »Du warst im Auto bei mir. Ich habe das Auto zu Schrott gefahren. Du warst zwei Monate im Krankenhaus. Danach durfte ich dich nur noch unter Aufsicht besuchen. Er hat dich mir weggenommen. Er hat sich von mir scheiden lassen. Er konnte mir das nicht verzeihen.«
    Grelle Lichter mitten in der Nacht. Ein hohes Bett. Krankenschwestern.
    »Du hattest ein Schädeltrauma. Blutungen und Druck im Kopf. Du hast eine Narbe unter den Haaren. Niemand konnte glauben, dass ich aufhören würde zu trinken, nicht Henry, nicht die Sozialarbeiter, nicht der Richter. Aber ich habe aufgehört.«
    »Bis jetzt.«
    »Und warum auch nicht? Hast du dir jemals Gedanken über mein Leben gemacht? An etwas anderes gedacht als an deine fixen Ideen, deine Bedürfnisse und an Leigh? Ray, du musst mir jetzt helfen. Ich verlasse dieses Haus. Ich gehe weg, genau wie Leigh, und ich komme nicht zurück. Seid ihr dann zufrieden, du und Leigh?«
    Das Schweigen zwischen ihnen war fast hörbar.
    »Dann hast du die Kassetten aufgehoben für den Fall, dass es einen weiteren Sorgerechtsstreit gibt«, schlussfolgerte Ray. »Du wolltest dem Gericht beweisen, dass er verrückt war. Du brauchtest etwas gegen ihn in der Hand. Waren sie deswegen so kurz?« Er wartete die Antwort erst gar nicht ab. »Du hast
nur die schlimmen Stellen aufgehoben, und das waren nicht viele, oder? So brutal war er nämlich gar nicht.«
    »Jeder Richter hätte das an seinem Tonfall gehört. Er war gefährlich.«
    »Gefährlich, weil er seinen Sohn wollte«, sagte Ray. »Es gab einen Gerichtsbeschluss, und er hatte das Recht, mich zu sich zu nehmen. Er war kein Monster.«
    »Ich habe es aus …«
    »Also hast du ihn einfach umgebracht. Du warst das Monster.« Er atmete schwer und wich langsam weiter zurück. Schritt für Schritt weg von ihr. Und jeder Schritt fühlte sich an wie ein Jahr Schmerz, den sie erlitten hatte, als sie mit ihm weggelaufen war und versucht hatte, sowohl für ihn als auch für ihre Mutter da zu sein, kein eigenes Leben, alles nur für die anderen …
    »Danach hatten wir Frieden, nicht wahr, Sohn?«
    »Wir haben mit seiner Leiche gelebt!«, rief Ray und wich vor ihr zurück zur Treppe. »Du hast mir das angetan!«
    »Wo willst du hin? Gehst du weg?«
    »Du hättest fast meine Frau umgebracht!«
    »Sie ist eingebrochen, Sohn. Sie kam hier runter, als ich versucht habe, die Wand zu reparieren.«
    »Mit einem Meißel?«
    »Das verdammte Leck! Ich kriegte es einfach nicht dicht, und es war so, wie du gesagt hast. Das Wasser ist in die Mauern gesickert. Du hast immer gesagt, es sei miserable Arbeit. Es war miserable Arbeit, denn es war meine! Ich habe diese Mauer mit meinen eigenen Händen
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