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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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an einem Sessel, durch die feuerfeste Panzerglaswand hindurch.
Er ließ sich auf dem Sessel niedersinken, langte zu einem Beistelltisch hinüber und tastete sich an einem einsatzbereiten Spritzenbesteck vorbei, bis er den Ohrenschutz fand. Unbeholfen setzte er ihn auf und sog begierig das Bild ein, das sich ihm auf der anderen Seite der Scheibe bot.
Aus dutzenden tellergroßen Bodenschächten schossen blauglühende Flammen bis hinauf zur Decke. Seine Augen gewöhnten sich schrittweise an die Helligkeit. Jetzt konnte er das überdimensionale Reagenzglas erkennen, das sich inmitten der Feuerzungen befand. Der Behälter war nicht leer. Samael hatte ihm in seiner großen Güte etwas übrig gelassen. Dankbarkeit und unsägliche Erleichterung durchströmten ihn.
Er kniff die Augen zusammen und starrte weiter hinein, zwischen den wütenden Düsen hindurch.
Dort war sie gefangen. Und weil es dort entsetzlich heiß war, litt sie im wahrsten Sinne des Wortes Höllenqualen. Sie schrie, nein besser, sie brüllte ihre unsägliche Pein heraus.
Sein Ohrenschutz war das beste Modell auf dem Markt. Trotzdem gelangten die herzzerreißenden Schreie bis in sein Bewusstsein. Allein er freute sich darüber. Er empfand ein grenzenloses Glücksgefühl und hätte am liebsten laut herausgelacht.
Er vermochte sie zu sehen. Sie war nicht allzu groß, nicht größer als ein zweijähriges Kind. Und natürlich schwarz - wie hätte es auch anders sein können. Sie hatte ganz grob die Form eines Körpers, sah aus, wie ein Mensch, von einem wahnsinnigen Expressionisten skizziert. Ihre Gliedmaßen waren lang und dünn. Zerbrechlich.
Die Hitze verbrannte sie fast. Und sie schrie, sie schrie um ihr Leben.
Er streckte seine Hand aus und berührte einen Regler, der in die Lehne des Sessels eingebaut war. Langsam und genüsslich drehte er ihn auf. Sofort schossen neue Feuerlanzen unterhalb des Reagenzglases empor. Sie trafen den Behälter mit ungeheurer Wucht. Die Schreie wurden noch lauter, noch unerträglicher - von einem bodenlosen Entsetzen, von unaussprechlichen Qualen durchtränkt.
Die Gestalt schlug wild um sich. Sie versuchte sich zu befreien, doch die Anordnung der Flammen und die strategisch platzierten Pentagramme verhinderten es.
Die Hitze tat ihr übriges.
Etwas löste sich aus der Gestalt. Es trieb nach oben. Gleichzeitig verstummten die Schreie. Die Stille war beinahe unwirklich.
Das kindliche Wesen schwebte zusammengesackt leb- und kraftlos im Glas. Es würde nicht mehr lange dauern.
Er drehte den Regler für die zusätzlichen Flammen ab und beobachtete, wie sich an den Innenseiten des Reagenzglases eine Art silberner Dunst sammelte, sich zu kleinen Tröpfchen zusammenzog, die schließlich langsam auf den Boden der gläsernen Vorrichtung rannen.
Er öffnete die Sperre über dem Hitzeregler. Das perlmuttfarbene Destillat sickerte in eine stickstoffvereiste Petrischale. Ein Roboterarm schwenkte aus, nahm die dampfende Schale auf, bugsierte sie zu einer Schleuse und setzte sie ab.
Wankend erhob er sich, betätigte den Mechanismus der Schleuse und entnahm ihr den kleinen Teller.
Die Essenz verströmte einen einzigartigen Duft. Unwillkürlich sammelte sich Speichel in seinem Mund, er musste mehrmals schlucken und leckte sich schmatzend die trockenen Lippen.
Er stellte die Schale vorsichtig auf den Beistelltisch, was ihm wegen seiner jetzt heftig zitternden Arme nicht leicht fiel. Aber um nichts in der Welt durfte er den wertvollen Inhalt verschütten. Kein einziger Tropfen durfte verschwendet werden.
Er hob die gläserne Spritze und tauchte ihre Spitze in die Mitte des Destillats. Mit einer jahrhundertelang geübten Bewegung zog er den Kolben zurück.
Er öffnete seinen Mund, während er seinen Kopf in den Nacken legte. Er zögerte, aber nicht aus Angst vor dem Einstich, sondern um sich für diesen einzigartigen Moment zu wappnen, um seine Sinne zu schärfen. Tausendmal hatte er es schon getan und doch übertraf das Erlebnis stets seine lebhaftesten Erinnerungen.
Langsam atmete er ein. Dann konnte er sich nicht mehr beherrschen. Er hob seine Zunge an, stieß die Nadel tief in sein weiches Fleisch hinein und drückte den Kolben nach vorne. Das Serum schoss in seinen Körper.
Er war unvorsichtig gewesen. Er hatte sich nicht gesetzt. Jetzt warf ihn der ungeheure Schock zu Boden. Er landete auf den Knien. Die leere Spritze baumelte aus seinem Mund.
Bilder zuckten vor seinen Augen. Gequälte und geschändete Menschen. Todesschreie. Der Genuss von
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