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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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persönliche Assistentin war an ihrem PC und verfolgte mit leicht gerunzelter Stirn die Schrift auf dem Flachbildschirm, während ihre Finger über die Tastatur flogen. Jetzt blickte sie zu ihm hoch, ihr Gesichtsausdruck aufmerksam, doch er schenkte ihr nur ein verkrampftes Lächeln, während er versuchte, die immer heftiger werdenden Kreuzschmerzen zu ignorieren.
„Frau Weber“, sagte er gepresst und zwang sich dazu, sich gerade zu halten. „Ich bin dann einmal kurz nicht erreichbar. Vielleicht für zwei Stunden.“
Frau Weber nickte ansatzweise, bevor sie ihren Blick diskret auf den Bildschirm senkte. Sie arbeitete schon einige Zeit für ihn und wusste, wann es besser war, keine Fragen zu stellen.
Er verließ sie und durchquerte ein mit viel glänzendem Chrom eingerichtetes Großraumbüro, in dem Angestellte in schier endlosen Reihen eng abgeteilter Einheiten ihren Aufgaben nachgingen. Er wurde von allen Seiten gegrüßt, doch ihm fehlte in seinem jetzigen Zustand die Kraft, auch nur ein einziges Wort zu erwidern.
Wie durch ein Wunder schaffte er es, weiterhin aufrecht zu laufen und sich nichts anmerken zu lassen. Jeder, der ihm begegnete, würde bestenfalls meinen, dass er äußerst gestresst war. Seinen tatsächlichen Zustand konnte er mit eisernem Willen verbergen, wobei ihm die Einzigartigkeit seiner Situation zugutekam. Keiner der Anwesenden würde jemals auf die Idee kommen, dass ein Mensch innerhalb weniger Minuten um Jahre, oder gar um Jahrzehnte altern konnte.
Vor der Forschungsabteilung standen zwei Wachmänner. Sie nahmen Haltung an, als sie ihn kommen sahen und gingen einen Schritt zur Seite, um ihm den Zutritt zu ermöglichen.
Er beachtete sie nicht weiter.
Er kniff die Augen zusammen, um das glänzende Bronzeschild rechts neben dem Eingang zu lesen.
Sicherheitsbereich
Nur für Berechtigte
war darauf eingraviert. Doch die Schrift blieb verschwommen.
Mit beiden Händen umfasste er die Säule, in die das Display eingelassen war. Seine Hände wiesen mittlerweile deutliche Altersflecke auf.
Er war erleichtert, sich festhalten zu können. Seine Lungen brannten wie Feuer. Sein Herz pochte rasend und unregelmäßig.
Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls, den Sicherheitscode wie ein Wahnsinniger in das Ziffernblatt zu schlagen. Stattdessen konzentrierte er sich auf jede einzelne Zahl, die er mit zitterndem Zeigefinger antippte.
Er hob seinen Kopf dem Lichtstrahl entgegen, der sein Gesicht und seine Iris scannte.
Er konnte es fast nicht mehr aushalten.
Endlich! – Die Tür schwang auf.
Er verlor jede Hemmung und hastete in den langen schmalen Gang. Das Tor schloss sich dumpf hinter ihm, doch er hörte das Geräusch nicht. Der Puls rauschte in seinen Ohren und vermischte sich mit seinem Atem, der mehr einem Keuchen glich.
Sein linkes Bein war nahezu steif, er zog es hinter sich her. Mit beiden Händen hangelte er sich an den weiß gestrichenen Wänden entlang. Er brauchte sich nicht länger zu verstellen.
Der fensterlose Flur endete vor einer weiteren Tür. Sie bestand aus schwerem Stahl. Wer es nicht besser wusste, hielt sie für den Zugang zu einem überdimensionalen Safe. Nur zwei Personen war bekannt, was sich tatsächlich hinter der einen halben Meter dicken Metallplatte verbarg. Er war einer davon.
Er tastete an seinen Hals und fetzte am Kragen. Der oberste Knopf sprang ab und seine Hände berührten eine filigrane Goldkette, an der ein ebenso zierlicher Schlüssel aus reinem Titan hing.
Seine Finger gehorchten ihm nicht mehr. Er vermochte nicht, die Kette am Verschluss zu lösen. Mit aller ihm verbliebenen Kraft zog er an dem Schlüssel und riss ihn frei.
Wieder nahm er sich zusammen, steckte den Schlüssel in die dafür vorgesehene Öffnung und drehte ihn mit einem entschiedenen Ruck um. Erschöpft lehnte er seine Stirn gegen das kühle Metall des Türstocks. Dabei nahm er im Geiste vorweg, was ihm in den nächsten Minuten widerfahren würde. Das gewaltige Hochgefühl, das ihn bereits bei der bloßen Vorstellung durchströmte, linderte seine Leiden und schenkte ihm neuen Lebensmut.
Ein Summen ertönte, als Elektromotoren armdicke Verschlussbolzen zur Seite schoben. Die schwere Tür öffnete sich.
Augenblicklich drang sie zu ihm durch, diese einzigartige Geräuschkulisse. Markerschütternde Schreie und entsetzliches Wehklagen.
Er stand in einem wohltemperierten Raum. Seine handgefertigten Lederschuhe versanken im Teppich. Die Wände waren mit Seidentapeten bespannt.
Er blickte nach vorne, vorbei
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