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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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grotesk weit aufgerissen, die Zähne rußgeschwärzt.
    „Und, haben Sie so etwas schon einmal gesehen?“, fragte der Priester, während er mich aufmerksam und mit einer Spur von Besorgnis musterte.
    Ich zuckte andeutungsweise mit den Schultern. Ich war schon weitaus Schlimmerem begegnet. Dingen, die er sich vermutlich nicht einmal vorstellen konnte. Laut sagte ich: „Das ist nichts Außergewöhnliches. Menschen tun Menschen furchtbare Sachen an.“
    Wagner biss sich auf die Unterlippe „Genau das ist der Punkt. Das, was Sie sehen, hat dem Opfer niemand angetan.“
    „Wie soll ich das verstehen?“
    „Das hier ist ein Selbstmord.“
    „Ein Selbstmord? Sie wollen mich auf den Arm nehmen!“
    „Keineswegs.“ Der Priester schüttelte seinen Kopf. „Der Suizid ist vor rund zehn Wochen geschehen. Die Verstorbene hat das alles akribisch genau geplant und vorbereitet. Sie hat ihr Heim verlassen, ist auf diese Wiese gegangen - ganz allein und weit weg von allen, die ihr hätten helfen können. Sie hat einen Stapel Holz aufgeschlichtet und ihn mit Benzin übergossen. Dann hat sie sich die Haare abgeschnitten, sich rostige Nägel durch die Hand getrieben und den rechten Arm gebrochen. Und zum Schluss…, zum Schluss ist sie auf den Scheiterhaufen geklettert, hat Platz genommen und sich angezündet.“
    „Wow“, sagte ich. „Die war aber gründlich.“ Innerlich erschauerte ich, als ich darüber nachdachte, was einen Menschen wohl dazu bringen konnte, sich auf diese ungeheuerliche Art und Weise das Leben zu nehmen.
    „Haben Sie ein Motiv gefunden? Hat sie einen Abschiedsbrief hinterlassen? “ fragte ich nach einer Weile.
    Wagner warf mir einen Blick zu, der mir deutlich zeigte, dass er noch immer zweifelte, ob ich die Richtige für die Ermittlungen war. „Nein. Nichts.“ Seine langen Finger trommelten erneut – diesmal auf dem Couchtisch selbst. „Und deshalb bin ich hier. Meine Auftraggeber“, er stockte, „…meine Auftraggeber möchten herausfinden, was sich hinter dieser Tat verbirgt.“
    „Aber es steht doch eindeutig fest, dass es sich um Suizid handelt?“ Langsam wurde ich ungeduldig, doch Wagner schien meinen Gemütszustand nicht zu bemerken.
    „Das steht zweifelsohne fest. Aber gerade deshalb sollen wir der Sache nachgehen. Wir sollen herausfinden, wer oder was Cornelia zu dieser Tat getrieben hat.“
    „Sie hieß Cornelia?“
    „Ja. Cornelia Heinze. Und“, wieder stockte er, „…wir haben großes Interesse daran, das aufzuklären.“ Er schwieg.
    Mir blieb nichts weiter übrig, als erneut nachzufragen. „Warum ausgerechnet ich? Wie sind Sie darauf gekommen, dass gerade ich Sie unterstützen könnte?“
    „Wir haben recherchiert. Wir haben Nachforschungen angestellt, wer in solchen Fällen bereits gewisse Erfahrungen hat.“
    Eine Erinnerung durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag. Bilder tauchten vor meinem inneren Auge auf, rot durchtränkt und verwaschen - Fetzen einer bösartigen Vision, unter der man jahrelang leidet und die man nicht mehr loswerden kann.
    „So, ich habe Erfahrungen?“, erwiderte ich und es gelang mir nicht ganz, den bitteren Unterton aus meiner Stimme zu nehmen.
    „Jedenfalls sagt man das.“ Wagner ergriff den Briefumschlag, der wieder auf dem Couchtisch lag, in der Absicht, ihn einzustecken. Mitten in der Bewegung hielt er inne und sah mich an. Sein Ausdruck war offen – das erste Mal während unseres Gesprächs – und besorgt. „Meinen Sie, dass Sie wirklich in der Lage sind… - wie soll ich sagen – zu arbeiten?“
    Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie bitte?“
    „Nun, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber Sie sehen nicht gut aus. …Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, ich meine das jetzt nicht im Sinne von attraktiv, …aber Sie wirken auf mich …irgendwie … krank .“ Aus seiner Miene sprach noch immer Besorgnis, in die sich jetzt wieder dieser Zweifel mischte.
    „Ich dachte immer“, bemerkte ich mit einem Lächeln, „Priester achten nicht auf Äußerlichkeiten“.
    „Wir achten schon darauf, sie bestimmen nur nicht unser Handeln, wie vielleicht bei anderen Personen.“
    Jetzt wurde ich wütend. „Ach so, sie bestimmen nicht Ihr Handeln, aber trotzdem kommen Sie in mein Büro und haben die Unverfrorenheit, mir zu sagen, dass ich nicht in der Lage bin, meine Arbeit korrekt auszuführen?“
    „Das ist nichts Persönliches. Es ist nur…, der Fall liegt uns am Herzen.“ Wagner machte eine
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