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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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beschwichtigende Geste mit der Hand, doch damit erreichte er genau das Gegenteil dessen, was er erreichen wollte. Ich brauchte kein Mitgefühl.
    „Der Fall liegt Ihnen am Herzen?“, brauste ich auf. „Was war diese Cornelia für Sie? Hatten Sie vielleicht eine andere Beziehung mit ihr, als es Ihnen Ihr Amt eigentlich erlaubt hätte?“
    Diesmal war Wagner an der Reihe, zu erröten. Das Blut schoss im schlagartig ins Gesicht und für einen kurzen Moment hatte ich die Genugtuung, ihn aus der Reserve gelockt zu haben.
    „So ist das nicht gewesen“, setzte er hitzig entgegen. „Das Interesse an dem Fall ist rein beruflicher Natur. …Aber ich fürchte, sie haben Vorbehalte gegen mich. Und wir können nur dann erfolgreich sein, wenn Sie mit mir zusammenarbeiten. Wenn Sie also ein Problem damit haben, weil ich Priester bin, dann sagen Sie das jetzt gleich. Und dann werden wir uns jemand anderen suchen, der diesen Auftrag übernimmt.“
    Ich stand auf, ging zu meinem Schreibtisch, legte meine Hände darauf und sah ihn über die Platte hinweg direkt an. „Ich bin im Moment vielleicht nicht so fit, wie früher, aber fit genug und vollkommen in der Lage, den Auftrag auszuführen. Ich bin eine verdammt gute Ermittlerin. Ich habe eine schwere persönliche Zeit hinter mir. Und ich bin und bleibe überzeugte Atheistin. Diesen ganzen Hokuspokus mit Ihrem Jenseitsglauben und Ihrem gütigen Gott können Sie bei mir getrost vergessen.“ Ich machte eine Pause. Meine nächsten Worte sprach ich ruhig und bedächtig: „… Aber ich habe keinerlei Probleme, weil Sie ein Mann der Kirche sind. Jetzt sind Sie an der Reihe, zu entscheiden, ob Sie mit mir zusammenarbeiten wollen und können. …Also was ist?“
    Wagner erhob sich ebenfalls. Er blieb zunächst stumm. In seinen Händen knisterte das Papier des Umschlags. Seine Finger verbogen das Kuvert, ohne dass er es bemerkte. Dann antwortete er doch. „Wir haben eine Übereinkunft. Ich werde mit Cornelias Familie einen Termin vereinbaren. Möglichst schon morgen. …Ich denke, wir werden als Erstes mit den Eltern sprechen. Vielleicht hilft uns das schon etwas weiter.“
    Ich ließ Zeit verstreichen, bevor ich zustimmend nickte. „Rufen Sie mich an, wenn Sie soweit sind.“
    Wagner drehte sich wortlos um und ging zum Ausgang. Die Wohnungstür fiel hinter ihm ins Schloss und ich hörte noch für eine Weile seine Schritte auf der Treppe.
    In meiner Wohnung wurde es wieder still.
    Allein blieb ich zurück.

2
     
    M ein Golf hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber er trug seine Rostflecke mit Würde. Und dass sich die Beifahrertür nicht mehr zusperren ließ, war für mich ohne Belang.
    Wir zuckelten über die Landstraße. Die Blätter an den Bäumen links und rechts des Weges schillerten in Rot- und Gelbtönen. Der Herbst hatte den Sommer abgelöst.
    Ich hatte Wagner vor knapp einer Stunde abgeholt. Er hatte vor seiner Wohnung auf der Straße gestanden und auf mich gewartet. Wagner trug heute erneut einen dieser dunklen Anzüge, darüber hatte er einen hellen Trenchcoat gezogen. Auch der obligatorische Kragen fehlte nicht.
    Ich versuchte, ihn mir mit Jeans und Pulli vorzustellen, während ich aus den Augenwinkeln heraus beobachtete, wie er es sich in seinem Sitz neben mir bequem machte. Er wirkte völlig entspannt, blickte oft durch das Seitenfenster und schien die Landschaft zu genießen. Mir war es ganz recht, dass er sich mehr um sich selbst kümmerte. Das erlaubte mir, meinen Gedanken nachzuhängen, ohne unnütze Konversation betreiben zu müssen.
    Ich genoss die Fahrt und das monotone Geräusch des Motors.
    Die Familie des Opfers wohnte in einem circa fünfzig Kilometer entfernten Vorort. Wir fuhren zunächst über die Autobahn, bevor wir auf eine Landstraße abbogen, die sich zwischen dicht bewaldeten Hügeln dahinschlängelte. Bald konnte ich die ersten Gebäude der kleinen Ortschaft erkennen. Schmucke Neubauten mit sauberen Gärten erwarteten uns - die Straßen frisch geteert, die Bürgersteige vor Kurzem geplattet. Hier hatte man Geld und man schämte sich nicht, es auch zu zeigen. Die Häuser waren keine fünf Jahre alt, mit den besten Materialien errichtet. Die Garagenzufahrten boten Platz für zwei Fahrzeuge. Mitunter stand ein neuer Van oder ein SUV in der Auffahrt.
    Mein Navigationsgerät plapperte munter vor sich hin und führte mich um einige Ecken und Kurven zu einer kleinen Sackgasse, vor der das Schild einer Spielstraße prangte. Bei einem dunkelrot gestrichenen
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