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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition)
Autoren: Roxann Hill
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Einfamilienhaus blieben wir stehen. Das Navi plärrte: Sie haben Ihr Ziel erreicht.
    Ich stellte den Motor ab. „Was jetzt?“, fragte ich.
    „Sie warten auf uns“, antwortete Wagner. „Ich habe gestern angerufen. Sie wissen, dass wir kommen.“
    Ich stieg aus und atmete ein. Die Luft schien hier reiner als in der Großstadt. Kein Geräusch von Fahrzeugen.
    Wagner kam um den Golf herum und blieb neben mir stehen. Er atmete ebenfalls tief durch, jedoch wurde deutlich, dass er es aus anderen Gründen tat, als ich.
    „Jetzt stellen Sie sich nicht so an“, sagte ich. „Sie haben doch gestern schon mit den Eltern gesprochen. Wenn ich das richtig verstehe, sind die daran interessiert, dass wir uns um den Tod ihrer Tochter kümmern.“
    „Ja“, antwortete Wagner, doch er klang für mich nicht hundertprozentig überzeugend. „Es fällt mir nur nicht leicht, Herrn und Frau Heinze jetzt gegenüberzutreten.“
    Wagner ging mir voran. Er öffnete das kleine Gartentor und hielt vor der ziemlich imposanten Eingangstüre an. Er betätigte die Klingel. Ich hörte, wie im Inneren des Hauses ein Gong zweimal melodisch ertönte.
    Es dauerte nicht lange und uns wurde geöffnet. Eine Frau so um die fünfzig, sehr gepflegt, stand vor uns. Sie wirkte verhärmt. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen. Allem Anschein nach hatte sie geweint.
    Sie begrüßte Wagner höflich, nahm kaum Notiz von mir, und ging vor uns in ihr Wohnzimmer. Dort wartete ein älterer Mann. Er war grauhaarig, schlank und sein Gesicht wies harte tiefe Furchen auf. Seine Augen schienen sehr schlecht zu sein. Sie waren hinter einer Brille mit dicken Gläsern verborgen. Auch er wirkte angespannt und niedergeschlagen. Die Atmosphäre im Haus war trist und roch nach Trauer.
    Der Mann stand nicht auf. Er wies nur auf ein Sofa in der Wohnecke. Wagner und ich nahmen darauf Platz. Die Frau setzte sich auf einen Sessel neben ihrem Mann. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Der Mann stützte sein Gesicht auf die Hände, hob seine Brille an, fuhr sich über die Augen und hüstelte.
    „Darf ich Ihnen Frau Steinbach vorstellen?“, ergriff Wagner das Wort und wandte sich anschießend mir zu. „Herr und Frau Heinze sind die Eltern von Cornelia. Ich meine…“, Wagner spürte dass er einen Fehler begangen hatte und fügte hinzu: „…waren…“ Er biss sich auf die Lippen und brach ab.
    Herr Heinze rückte sich die Brille zurecht, hüstelte erneut und meinte: „Ich sehe den Sinn dieser Sache nicht ein. Wir haben doch bereits ausführlich mit der Polizei gesprochen. Warum müssen wir das alles noch einmal aufrühren? Warum können wir das Ganze nicht auf sich beruhen lassen?“
    Während der Worte ihres Mannes hatte sich Frau Heinze kaum bewegt. Jetzt blickte sie zu Boden, ihr blasses Gesicht wirkte noch verhärmter als vorhin.
    Wagner hob beschwichtigend die Hand. Seine Miene sagte mir, dass zumindest für ihn, beziehungsweise für seine Auftraggeber eine genaue Nachforschung tatsächlich sehr wichtig zu sein schien. “Wir wollen wirklich alles auf der Welt, nur nicht, Sie in Ihrem Leid noch weiter zu stören. Aber…“
    Herr Heinze unterbrach ihn. „Es gibt immer ein aber . In diesem Fall ist das jedoch sinnlos. Cornelia hat sich aus irgendeinem Grund entschieden, aus dem Leben zu scheiden. Was könnte noch geschehen? Nichts kann uns diesen Verlust wettmachen. Nichts kann uns unser Leid noch erleichtern. Nichts! Hören Sie? Gar nichts!“
    Nach seinen Worten setzte Stille ein. Fast glaubte ich, das Prasseln von Flammen zu hören, wie sie sich durch einen Haufen Holz fraßen.
    Um mich von dieser Vorstellung abzulenken, ließ ich meine Augen durch das Zimmer wandern. Die Einrichtung war konventionell und vielleicht ein wenig altmodisch, aber unter normalen Umständen hätte ich mich hier wohlgefühlt. Das lag nicht zuletzt an dem großen nach Süden ausgerichteten Blumenfenster, an dem eher unordentlichen übervollen Bücherregal und an der Vielzahl der unterschiedlich eingerahmten Familienbilder, die sich auf einem Beistelltisch links neben meinem Sofa befanden. Es waren sogar Klassenfotos darunter – nicht nur Cornelias, sondern auch aus der Schulzeit ihrer Eltern.
    Ich sah zurück zu Herrn und Frau Heinze. Sie schwiegen noch immer und Herr Heinze bedachte Wagner inzwischen mit einem ablehnenden Blick in dem ohnmächtiger Zorn mitschwang.
    Räuspernd unterbrach ich die Stille und kam Wagner zur Hilfe. „Herr Heinze, ich weiß, was wir Ihnen mit unserem
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