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Wirrnis des Herzens

Titel: Wirrnis des Herzens
Autoren: Catherine Coulter
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würde Miss Helen gerade bis ans Kinn reichen. Ich dagegen reiche ihr in der Regel bis zum Mund.«
    »Was meinen Sie nur wieder damit, Flock?«
    Flock rieb über die Brandflecken im Tischtuch. »Ich will damit sagen, dass Miss Helen vor mir sicher ist, Lord Beecham. Kleine Männer sind für mich alle die, die Miss Helen nicht bis an die Nase reichen. Ich reiche ihr, zumindest so gut wie er, bis an die Nase.«
    Auch Helen fächelte sich Luft zu. »Ich dachte, Sie hätten ihm erzählt, ich wäre verheiratet, und hätten so sein Feuer etwas abgekühlt.«
    »Er erwiderte mir, dass Sie erst mit einem Franzosen verheiratet sein müssten, um einen Begriff davon zu haben, was wirkliche Leidenschaft sei.«
    Lord Beecham lachte und hob die Servierhaube vom Braten. Noch mehr Rauch stieg auf. »Voilà, das Meisterwerk eines Franzosen. Weltfeuer - das setzt dem Ganzen wirklich die Krone auf.«
    »Ich werde nie mehr unbekümmert einen Braten essen können«, sagte Helen. Sie hatte einen schwarzen Rußfleck auf der Nase. Vorsichtig rieb Lord Beecham ihn mit der Fingerspitze ab.
    Nah an ihrem Haar, das ein wenig nach Rauch roch, sagte er leise: »Ich gehe Ihnen nicht nur bis zur Nase, ich kann sogar die Nadeln in Ihrem Haar sehen.«
    Flock räusperte sich. »Ich glaube, es wäre das Beste, wenn sich die Herrschaften wieder in den Salon zurückziehen würden. Ich werde Ihnen dann das übrige Essen dort servieren. Zuerst aber werde ich zu Monsieur Jerome gehen und ihm berichten, was aus seinem feu du monde geworden ist.«
    »Bringen Sie uns doch auch noch etwas Champagner«, sagte Lord Prith. »Ich befürchte, wir befinden uns gerade wieder in einer von diesen dunklen Stunden.«

5
    Lord Beecham lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, ausgestreckt auf seinem Bett. Das flackernde Licht der Kerze warf immer neue, skurrile Schattengebilde an die Decke.
    Es war seltsam. Umgeben von den ständig wechselnden Formen sah er plötzlich Helen Mayberry, den roten Wollschal ihres Vaters um die Schultern gebunden, der Knoten genau zwischen ihren Brüsten.
    Sie hatte diesen albernen Schal den ganzen Abend lang getragen. Das Essen hatte schließlich aus geschmorten und geräucherten Kartoffeln bestanden, aus geschmortem und geräuchertem Hummer und aus geschmorten und geräucherten grünen Bohnen, die allerdings eher grau aussahen. Lord Prith hatte geseufzt. Dieser verdammte Franzmann serviere Helen immer nur Hummer, erzählte er Lord Beecham, angeblich, um ihr tiefstes Verlangen hervorzukitzeln. Auch er nähme an, dass Helen in der Tat über ein tiefes Verlangen verfüge, fuhr Lord Prith fort, verständlicherweise wolle er, als ihr Vater, darüber aber gar nicht erst nachdenken.
    »Armer Monsieur Jerome«, sagte Helen. »Flock hat mir erzählt, dass er all seine Freunde in Frankreich schriftlich um neue Hummerrezepte gebeten hat. Angesichts des Krieges bezweifle ich allerdings, dass er in nächster Zeit Antworten erhalten wird. Ich hoffe zumindest, dass das nicht passiert, bevor wir London wieder verlassen.«
    Beinah hätte Lord Beecham schon wieder gelacht. Er konnte sich gerade noch fangen. »Vielleicht bräuchte der Gute ein wenig Züchtigung«, schlug er vor.
    »Äh, Sie kennen sich mit Züchtigung aus?« Lord Prith sah ihn irritiert an.
    »Natürlich, Sir. Ich bin Engländer.«
    Sie hatten nicht weiter über das Thema gesprochen, denn Flock war hereingekommen, um Lord Prith mitzuteilen, dass es Zeit für den Spaziergang sei. Daraufhin hatte dieser Lord Beecham die Hand gereicht, seine Tochter geküsst und beiden eine gute Nacht gewünscht. Er hatte Helen noch den Schal zurechtgezogen und war dann pfeifend durch die Tür verschwunden. Sein Kopf hatte dabei den Türsturz nur um wenige Zentimeter verfehlt.
    »Mein Vater und Flock gehen, solange es nicht regnet, jeden Abend zwanzig Minuten lang spazieren. Es ist spät geworden, und Flock braucht seinen Schlaf. Neun Stunden mindestens, sagt er immer.«
    Kopfschüttelnd hatte sie gelacht und ihn keine fünf Minuten später verabschiedet.
    Und jetzt lag er da und starrte auf die bewegten Formen an der Decke. Immer noch sah er sie, mit dem roten Wollschal um, und immer noch spürte er das Verlangen, seine Finger langsam unter ihr elfenbeinfarbenes Kleid wandern zu lassen.
    »Ich werde schon noch meinen Spaß mit ihr haben«, sagte er laut zu sich selbst und hauchte den Schattenbildern an der Decke einen Kuss zu. Dann blies er die Kerze aus und beobachtete lächelnd, wie sich der Rauch
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