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Wir zwei allein - Roman

Wir zwei allein - Roman

Titel: Wir zwei allein - Roman
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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immer hier sein. Allein. Ein Irokese wandert tagelang durch die Täler, in denen er geboren wurde. Zwischen den Bergen seiner Kindheit ist er frei.

    4    Das Tor zur Halle steht offen. Ich fahre mit dem Sprinter bis auf die Hebebühne an der Wand, steige aus. Hinter dem Glas zu Eckis Büro stehen Ecki und ein kleiner runder Mann in schwarzem Anzug und blauer Wollmütze. Sie verlassen das Büro und kommen auf mich zu.
    Das ist Herr Römer, sagt Ecki. Er wird ab nächsten Monat die Geschäftsleitung übernehmen.
    Der Sprinter klimpert ein bisschen nach, in der Halle der Gestank von Blumenkohl.
    Guten Tag, sagt Herr Römer, ein Lächeln aus der Versicherungswerbung, ein Händedruck wie Salat. Ich habe zuvor in der Volksbank am Bahnhof gearbeitet, sagt er. Ich freue mich jetzt auf etwas Handfestes und gesellschaftlich Sinnvolles.
    Herr Römer hat mehr Ahnung von finanziellen Dingen als wir beide zusammen, sagt Ecki und lacht.
    Ja nun, sagt Herr Römer und lacht auch. Er trägt einen goldenen Ehering und hat ausgebleichte blaue Augen.
    Essen Sie gern Gemüse, Herr Römer?, sage ich.
    Ich liebe Gemüse, sagt Herr Römer ernst. Aber es muss frisch sein. Da haben wir es hier im Breisgau ziemlich gut, nicht wahr?
    Das stimmt, sage ich.
    Ich habe gehört, Sie sind gerne dort draußen unterwegs, sagt Herr Römer. Vielleicht können wir ja die eine oder andere Tour zusammen machen, ich habe lange genug in Büros gesessen.
    Das ist eher unspektakulär da draußen, sage ich.
    Ach, ich stelle es mir abenteuerlich vor, sagt er. Die große Freiheit, sozusagen. Er lacht und blickt dabei Ecki an.
    Man hat leider auch hier im Büro genug zu tun, sagt Ecki.
    Ja, natürlich, sagt Herr Römer schnell. Das geht vor. Er blickt sich in der Halle um. Atmet tief ein. Und das alles hier kommt aus der Erde, sagt er. Sie müssen wissen, ich liebe den Schwarzwald und den Breisgau. Das ist für mich ein kleiner Traum.
    Dann sind wir froh, dass wir Ihnen diesen Traum erfüllen können, oder?, sagt Ecki und haut mir auf die Schulter.
    Ja, da sind wir froh, sage ich.
    Herr Römer zeigt auf den Sprinter.
    Das ist also Ihr Gefährt, ja?
    Er macht einen Schritt und legt die Hand auf die Motorhaube.
    Auf der anderen Seite könnten Sie dann besser mit den Kunden kommunizieren, sagt Ecki. Macht sich doch gut, wenn Herr Römer ab und zu dabei ist, oder?
    Ja, sage ich. Macht sich gut.
    Aber die Büroarbeit geht selbstverständlich vor, sagt Herr Römer. Ich habe übrigens viele Ideen. Wir könnten Fleischerzeugnisse aus der Region ins Portfolio aufnehmen. Dazu Getränke. Und Obst aus dem Kaiserstuhl. Was halten Sie davon? Man könnte auf die andere Seite des Schwarzwalds expandieren. Und stellen Sie sich einen neuen Namen vor: Breisgau Food Service. Wie klingt das für Sie?
    Irgendwie zukunftsweisend, sage ich.
    Zukunft ist gut, sagt Ecki. Er haut mir wieder auf die Schulter. Klingt doch gut, oder?, sagt er.

    5    Auf dem Nachhauseweg halte ich kurz nach Au in einem Feldweg. Ich steige aus, mir ist schlecht, ich knie mich hin, halte meine Hände in den Schnee und versuche, ruhig zu atmen. Ich steige wieder ein und drehe um, umfahre Freiburg auf der B 3 Richtung Waldkirch.
    Ich stemme die Schranke hoch. Der Sprinter knirscht über den Schnee. Die Heizung stinkt, die Seitenfenster sind beschlagen. Die Metallkuh ist nicht mehr da. In der Wiese am Waldrand steht dafür ein zweiteiliges Spanholzschild: Möbel Möller in Emmendingen, 2 km.
    Ich parke neben den Baumstämmen und stapfe ins Unterholz. Ich sinke bis zu den Knien in den Schnee, ziehe mich an Ästen und Zweigen weiter. Ich kann mein eigenes Keuchen hören. Ich lasse die Äste zurückschnellen. Ich halte an dem steilen Abhang, mein T-Shirt klebt mir nass am Körper. Der Bach unter mir ist zugefroren. Knarrende Geräusche über mir. Der Wind, der irgendwo aufheult, obwohl ich ihn nicht spüre. Die laufende Nase. Das Brennen auf den Wangen.
    Ich blicke lange hinab, lasse mich dann, mit dem Rücken an einem Baumstamm, in den Schnee gleiten. Keine weiße Plane, die zwischen den Zweigen hindurchschimmert. Kein Rauchfaden, der sich zu den Baumkronen windet. Keine Stangen, die wie Mikado in den Himmel staken. So weit das Auge reicht nur totes Unterholz, Stecken und Schlingpflanzen, die wie Kabel aus der Schneedecke ragen. Gelbes Gras, unter dem Schnee zur Seite gelegt. Eine Stille wie vor zehntausend Jahren.

    6    Ein schönes Leben haben wir, Theres. Wir haben uns eingelebt. Einverleibt haben wir
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