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Wir zwei allein - Roman

Wir zwei allein - Roman

Titel: Wir zwei allein - Roman
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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brachte Steine mit, auf denen Algen oder Moos wuchsen. Ich weiß nicht, was sie damit in ihrer Werkstatt macht. Letzte Woche hat sie den Schuppen zwei Tage lang nicht verlassen. Sie schlief in einem Schlafsack unter der Werkbank. Ich brachte ihr Tee, aber sie ließ mich nicht hineinschauen. Eine Überraschung, sagte sie.
    Am dritten Tag verließ sie die Werkstatt endlich. Das wird nichts, sagte sie. Sie hat aufgehört, aus dem Haus zu gehen. Ich bin müde, sagte sie. Ich will ein bisschen schlafen. Ihre Werkstatt ist abgesperrt. Sie weicht mir aus. Sie legt sich früh schlafen. Sie ist morgens noch müde, wenn ich frühstücken will. Wenn ich nach Hause komme, ist sie am Belchen oder in Utzenfeld oder am Wiedener Eck.

    13    Ich muss dir etwas zeigen, sagt sie.
    Wo warst du, Theres?
    Ich war auf einer Reise.
    Und wohin?
    Jetzt komm doch erst mal mit!
    Samstagvormittag. Gestern hat es zum ersten Mal im Jahr geschneit. Theres ist fünf Tage lang nicht hier gewesen. Ich habe mich gestern Nacht auf die Steinbank in unserem neuen Wohnzimmer gelegt, habe meinen Rücken gegen den Kachelofen gedreht. Jetzt sitze ich vor einer Tasse Kaffee und vor einem Kanten Brot mit Salami vom Schätzle im Wiedener Ortskern. Die Decke hängt tief über meinem Kopf. Draußen herrscht Novemberzwielicht. Theres steht in der Küchentür, ihre Haare nass, ihre Wangen rot.
    Wo warst du, Theres?
    Komm schon!, ruft sie und ist zurück in den Gang getaucht, die Tür knallt, ich stehe auf. Ich trete in den Hof hinaus. Über mir kein Belchen, der Nebel hängt auf den Häusern von Wieden. Vom Dach tropft es auf die Treppe. Der Hof ist voller Pfützen, in denen braunes Laub schwimmt. Hier und da ein durchsichtiger Schneehaufen. Vor dem Schuppentor steht Theres. Neben einem weinrot glänzenden Volvo Kombi, einem Zukunftsgefährt in flüssiger Form, aus dem Musik dröhnt. Ich stapfe um die Pfützen herum und stehe neben ihr.
    Was ist das, Theres?
    Sie haucht sich in die Handflächen, eine Dampfwolke steigt zum Himmel.
    Ein Volvo V siebzig.
    Du leihst dir ein Auto?
    Nein, sagt sie. Sie hebt ihre Hand vor mein Gesicht. Sie klimpert mit einem Schlüssel herum.
    Du hast es gekauft?, sage ich.
    Wir brauchen doch ein Auto, sagt sie. Komm. Lass uns einen Ausflug machen.
    Die Musik schwappt mir entgegen, als sie die Beifahrertür öffnet. Sie lässt sich auf den Sitz fallen, schließt die Tür, die Musik dämpft wieder ab. Theres deutet auf den Fahrersitz. Ich reiße die Tür wieder auf.
    Wie kannst du ein Auto kaufen?
    Die Überraschung in ihrem Gesicht. Wie meinst du das?
    Du hast nicht einmal eine Arbeit, sage ich. Woher hast du das Geld?
    Jetzt steig doch erst mal ein, sagt sie. Wir können nach Italien fahren. Es sind nur ein paar Stunden. Ich kenne einen Maler in Cinque Terre bei Genua.
    Theres!, sage ich.
    Sie zuckt richtig zusammen.
    Du hast dir einen nagelneuen Volvo V siebzig gekauft?
    Ja. Das ist doch schön. Oder nicht?
    Mach doch endlich das blöde Radio aus!
    Sie dreht das Radio aus. Übrig bleibt die Stille unseres Schwarzwaldtals. Theres hat die Schultern eingezogen. Wir brauchen doch ein Auto, murmelt sie.
    Woher hast du das Geld, Theres?
    Ich hab’s mir geliehen. Von einer Freundin.
    Von welcher Freundin denn?
    Kennst du nicht.
    Du hast eine Freundin, die dir dreißigtausend Euro leiht?
    Na und?, sagt Theres.
    Und wie willst du es ihr zurückzahlen?
    Sie hebt die Beine aus dem Fußraum und drückt sich an mir vorbei aus dem Sitz. Sie schiebt mich zur Seite und stapft über den Hof Richtung Haus.
    Ich schlage die Tür des Volvo zu und folge ihr. Sie ist schon an der Treppe, sie ist schon an der Tür, sie schlüpft ins Haus. Im Gang brennt Licht.
    Theres?, rufe ich.
    Aus der Küche klirrt es. Ich stelle mich in den Türrahmen. Theres hat die Lampe über dem Tisch eingeschaltet. Sie knipst das Lämpchen am Fenster ein. Sie steht schon an der Spüle und knipst auch das Lämpchen über der Arbeitsfläche an. Sie schlüpft durch die andere Tür, ins Wohnzimmer. Sie hat schon das Deckenlicht eingeschaltet. Sie knipst die Stehlampe hinter dem Sessel an. Alles ist erleuchtet. Wie in einem Möbelhaus.
    Ich lass mich von dir nicht runterziehen, sagt sie.
    Was?, sage ich.
    Sie kommt auf mich zu, drückt sich an mir vorbei, durchquert die Küche, ist schon im Gang und auf der Treppe. Ich folge ihr hinauf. Auch oben ist bald alles erleuchtet. Das Badezimmer, die Toilette, die Abstellkammer. Gepolter aus dem Schlafzimmer. Ich trete in den Türrahmen.
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