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Wir tun es für Geld

Wir tun es für Geld

Titel: Wir tun es für Geld
Autoren: Matthias Sachau
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langsam mal hören, wie deine Anlage in deiner Wohnung klingt?«
    »Sicher. Sofort. Ich will nur noch einmal eben das hier probieren, um sicherzugehen…«
    »Du überhörst dich am Ende noch.«
    »Man hat schon Ohren gesehen, die sich erbrechen.«
    »Nur ganz kurz…«
    »Hat Tigerchen eigentlich Wasser?«
    Sehr gut, Ines. Das Lösungswort. Ekkehart braucht ein paar Augenblicke, als würde er kurz in Lichtgeschwindigkeit aus einer völlig anderen Welt zurückreisen und dabei mehrere Dimensionsebenen überwinden müssen. Dann fasst er sich endlich an den Kopf.
    »Ach du Schreck!«
    »Dann geh du doch schon mal runter. Wir stöpseln hier inzwischen alles aus.«
    »Gut. Aber vergesst nicht, die Endstufen als Erstes aus…«
    »Ja, Ekkehart.«
    Als er die Tür hinter sich zumacht, lächelt Ines mich dankbar an. Im gleichen Moment erkenne ich alles in ihrem Gesicht. Ihre Beziehung zu Bernd liegt in Trümmern. Und sie liegt unter den Trümmern. Und unsere Situation ist sich zumindest ein bisschen ähnlich, denn ich liege im gleichen Moment unter 50 Tonnen schlechtem Gewissen.
    Ines hatte entschieden, mit Bernd zusammenzuleben, und Vanessa hatte entschieden, dass sie sich von Bernd trennen soll. Und Vanessa hat sich, wie ein übermächtiger Chef, durchgesetzt. Und auch wenn ich nichts für ihre Macht kann, sie hat es für mich getan.
    Natürlich wollte sie es eleganter haben. Sie hätte den beiden Zeit gegeben, sich unter ihrem Einfluss nett und freundlich auseinanderzuleben, der Liebesbetrug wäre vielleicht nie ans Licht gekommen, und für mich hätte alles wie ein schöner Traum sein können. Aber selbst wenn es geklappt hätte, selbst wenn ich nichts mitbekommen hätte, selbst wenn ich tausendmal denke, dass weder Ines noch Bernd mit dem Liebe-nach-Kalender-Konzept jemals glücklich geworden wären, und auch wenn ich Ines eine Million Mal liebe: Es ist ihre Entscheidung, und niemand hatte das Recht, sie ihr zu nehmen.
    Ines sieht mich müde an.
    »An die Arbeit, Lukas. Umso schneller haben wir endlich Ruhe.«
    »Komm, ich mach das schon mit Ekkehart. Geh ruhig…«
    Ich sehe, wie ihr ein paar Tränen in die Augen steigen. Wie von selbst fällt sie mir in die Arme und drückt ihr Gesicht fest in meine Schulter. Ich streichele ihre Haare und wünsche mir, ich wäre viel, viel dümmer. Dann gäbe es eine Chance für uns. Wir würden beide Vanessa hassen, Ines würde viel Zeit brauchen, traurig sein, nachdenken. Wir würden wieder Tango tanzen, gemeinsam essen und uns über den Sand ärgern, der sich im Lauf der Tage schön langsam vom Wohnzimmer in alle Räume verteilt. Und vielleicht, vielleicht würde aus der winzig kleinen Chance, dass wir noch einmal zusammenfinden, am Ende doch noch ein großes Glück.
    So hatte Vanessa es jedenfalls gewollt. Ich bin mir sicher. Ich habe ihr Gesicht gesehen. Sie war bereit in Kauf zu nehmen, dass wir beide sie hassen. Das wollte sie für mich tun.
    Ekkehart klingelt. Ines lässt mich los, und es fühlt sich an, als würden wir auseinandergeschnitten. Wir beginnen mit dem Abbauen und Runtertragen. Die schweren Plattenspielerteile nehmen wir zu dritt. Ich mache mir Sorgen, dass Ines sich verhebt, aber sie scheint sich dauernd mit Absicht extra viel aufzubürden. Als endlich alles geschafft ist, sagen wir tschüss. Ekkehart ist verdattert. Er hat anscheinend erwartet, dass Ines noch die ganze Nacht mit ihm hört und rumstöpselt.
    Als wir endlich wieder bei uns sind, mache ich Ines als Erstes eine Honigmilch, einfach weil sie so aussieht, als bräuchte sie jetzt dringend eine. Als ich mit dem dampfenden Becher ins Wohnzimmer komme, lümmelt sie, in die blaue Decke gehüllt, in der linken Ecke des Sofas.
    »Danke, du bist lieb.«
    »Willst du allein sein?«
    »Bleib bitte da.«
    Ich kauere mich in die andere Ecke des Sofas und ziehe die Beine an. Es ist wunderbar, nun, nachdem die Hifi-Bohrinsel den halben Tag lang unser Wohnzimmer beschallt hat, endlich ohne Musik zu sein.
    Ines nippt in großen Abständen an der Honigmilch und sieht mich die ganze Zeit an. Ich will etwas sagen.
    »Es tut mir so leid.«
    …
    »Wie fühlst du dich?«
    Meine Worte hören sich schrecklich an. Ines schüttelt kurz energisch den Kopf, antwortet dann aber doch.
    »Wie gekaut, ausgespuckt und dann auch noch drauf rumgetrampelt.«
    Warum frage ich, wenn ich die Antwort kaum ertragen kann? Und warum kann ich sie umso weniger ertragen, je weniger Ines nach dem aussieht, was sie gerade gesagt hat? Sie guckt
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