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Wir sind nur Menschen

Wir sind nur Menschen

Titel: Wir sind nur Menschen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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harten Schritte. Ein weißer, langer Mantel tauchte vor ihr auf … Dann ein Kopf, hager, umrahmt von beinahe weißem Haar.
    Da wollte sie aufschreien, aber ihr Mund blieb im Schrei offen, schlaff sanken ihre Arme an den Körper.
    Auch Peter starrte sie an. Fassungslos, wortlos, versteinert.
    So standen sie sich gegenüber und sahen sich an. Der große, durch Krankheit und Erleben weiß gewordene Mann – und die schmale, blasse, zitternde Frau. Er senkte den Blick und betrachtete die Spritze, die er in der aufrechten Hand hielt.
    »Angela!« sagte er leise. Es war wie ein Gruß, aber in der Zaghaftigkeit des Wortes lag alles Weh dieser Welt …
    »Ja, Peter.«
    »Ich kann es nicht fassen …« Er schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube es auch so lange nicht, bis du mir deine Hand gegeben hast.«
    Er gab sie ihr und fühlte ihren leichten Druck. Dann blickte er wieder verlegen seine Spritze an.
    »Erst das Kind«, sage er und trat näher. »Ich habe heute nacht ein Serum entwickelt, aufbauend auf den Erkenntnissen des Rekonvaleszenz-Serums. Nur habe ich versucht, durch bisher unbekannte Sulfoverbindungen die Wirkung zu konzentrieren, verstehst du? Ob es hilft …«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich möchte aber doch erst die Eltern des Kindes fragen, immerhin ist es ein Versuch. Sie müssen damit einverstanden sein.«
    »Ja, Peter. Ich spreche doch täglich mit ihnen, stündlich …«
    »Du hast also mit ihnen schon gesprochen?«
    »Sie sind einverstanden.« Angela sah Peter groß an. »Immer! Auch jetzt, Peter …«
    Da zuckte er zurück.
    »Angela …«, stammelte er, »dieser Junge … ist …«
    »Mein Kind, ja, Peter. Und er heißt – Peter.« Sie mußte sich abwenden. »Er ist jetzt eindreiviertel Jahre alt …«
    Er stürzte auf sie zu, umfing ihre Schultern und drehte sie zu sich herum.
    Ganz nah war ihr Gesicht, und er sah, daß Tränen in ihren geröteten Augen standen. Angelas Mund zuckte. Da preßte er den Kopf an seine Brust und streichelte ihn langsam.
    »Angela«, sagte er leise, »Angela … Ich kann nichts mehr sagen … Nur noch eins, Angela: Ich schäme mich – ich schäme mich …«
    Sie löste sich aus seinen Armen und wischte sich die Tränen mit einer schnellen Handbewegung aus den Augen. »Erst das Kind!« sagte nun auch sie stockend. »Rette es, Peter. Der Himmel hat dich zurückkommen lassen, um dein Kind zu retten, unser Kind …«
    Dr. Perthes wandte sich ab, griff von neuem nach der Spritze und trat an das Bettchen. Der kleine Peter lag in den Kissen wie ein Wesen, das man verloren hatte. Noch schlief er, aber im Schlaf tastete seine Hand an den Hals, an den Nacken, als fühle er dort einen Schmerz.
    »Typisch!« sagte Peter leise und setzte sich auf den Stuhl, den Angela herangeschoben hatte. »Schmerzen im Nacken nach einem Fieberanfall.« Er blickte zur Seite, wo Angela stand. »Fühlst du dich stark genug, um zu assistieren?«
    »Ja, Peter.« Sie setzte sich ihm gegenüber, sie hielt den Arm ihres Kindes fest, rieb die Haut mit Alkohol ab und blickte dann den Arzt fest an.
    Der saß vorgebeugt, die Spritze in der Hand, und starrte sein Kind an. Die blonden Haare waren voller Schweiß, die Haut auf dem Näschen zitterte. Der Mund war verkniffen …
    »Mein Junge!« sagte er leise. »Mein Peter!« Dann legte er die Spritze weg. »Ich kann es nicht, Angela.«
    »Peter!« Sie sah ihn entsetzt an. »Soll er denn sterben?«
    »Das Serum ist nicht erprobt, Angela. Heute nacht habe ich es erst entwickelt. Aus der Retorte habe ich es in die Ampulle umgefüllt. Ich weiß doch nicht, ob es hilft … ich habe große Hoffnungen, natürlich, aber …«
    Er stockte.
    Dann fuhr er leise fort: »Es kann auch der Tod sein, den ich unserem Jungen spritze …«
    »Wage es, Peter!« Angela tastete mit ihrer Hand zu seiner Hand. »Wir sind nur Menschen, Peter … Hier muß Gott helfen …«
    Mit starrem Gesicht setzte Dr. Peter Perthes die Nadel an, stieß in die Vene und drückte das neue Serum langsam in die Blutbahn des Kindes. Es zuckte bei jedem Stich zusammen, wollte mit der anderen Hand den Arm fassen, aber da beugte sich Angela über den Jungen und hielt seinen Arm fest.
    Mit einem Ruck zog Perthes die Nadel heraus. Schweiß stand in dicken Tropfen auf seiner Stirn. Seine weißen Haare hingen unordentlich in die Stirn.
    »In zwölf Stunden müssen die ersten Reaktionen kommen«, sagte er müde. Er blickte auf seine Armbanduhr. »Es ist jetzt sieben Uhr morgens. Bleibst du bei
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